Der Kongress tanzt!
Vier Schritte zum Event, der rockt.
Eine nachhaltige Gesellschaft verlangt von uns Änderungen, die verstanden und gelernt werden wollen. Dafür brauchen wir lebendigere, "menschengerechte" Veranstaltungen. Vier Schritte zum Event, das wirklich etwas bewegt.
Wir alle haben das schon oft erlebt und erleben es immer wieder: Bei einem Kongress - das Thema ist eigentlich sehr interessant - jagt ein Vortrag den anderen, bei dem uns die Redner mit einer Flut von PowerPoint-Folien bombardieren, meist so dicht beschrieben, dass man kaum was lesen kann. Manche Referenten lesen uns absurderweise auch noch Wort für Wort vor, was sie auf die Folien geschrieben haben. "Betreutes Lesen" nennt das ein Kollege. Verzweifelt wandern unsere Blicke zwischen den Rednern und der Leinwand hin und her. Irgendwann merkt man, dass es vielleicht besser sein könnte, die vielen Folien zu ignorieren, da sie doch nur vom Gesagten ablenken. Da fast alle Redner überziehen - die Moderatoren tun wenig dagegen - bleibt für Fragen kaum Zeit; Diskussion ist sowieso nicht vorgesehen, soll in den Workshops am Nachmittag stattfinden. Nach zwei Stunden Dauerbeschuss gibt es dann eine Pause, der wir sehnsüchtig entgegensehen: Wenn schon ein Großteil der Informationen an uns vorbeirauscht, dann wollen wir die Tagung wenigstens zum Networken nutzen.
Am Nachmittag freuen wir uns auf den Workshop und hoffen auf die versprochene Diskussion - doch weit gefehlt. Auch hier haben die Veranstalter wieder drei ReferentInnen engagiert, die - mit den bekannten, aber nicht bewährten PowerPoint-Vorträgen - den größten Teil der Zeit beanspruchen. Als die dann endlich fertig sind, reicht es gerade noch für ein paar Nachfragen.
Auf dem Abschluss-Podium sitzen dann fünf oder sechs - im schlimmsten Fall noch mehr Experten. Die Moderatoren mühen sich redlich, doch eine richtige Diskussion kommt mit so vielen Menschen natürlich nicht zustande - und auch hier darf das Publikum höchstens mal eine Nachfrage stellen. Wie gesagt: Gäbe es die Pausen nicht, in denen man Kollegen oder Geschäftspartnerinnen treffen kann, die Reise hätte sich kaum gelohnt. "Paukschule mit PowerPoint" sagt dazu der Journalist Michael Gleich. Diese Paukschulen finden dann meist noch in Räumen statt, die die Lust am Denken und Diskutieren nicht gerade fördern: fenster- und schmucklos, oft - wegen der Beamer-Präsentationen - so stark abgedunkelt, dass man permanent gegen die Schläfrigkeit ankämpfen muss. Die Bestuhlung, in der Regel plenarisch, verhindert den Blickkontakt zu den Teilnehmern, ein guter Dialog, wenn denn überhaupt gewollt, ist so schlicht unmöglich. Entgegen unserer körperlichen Bedürfnisse werden wir zudem dazu verdammt, stundenlang still zu sitzen.
Dabei fahren wir doch voller Erwartung zu den Tagungen über die Themen der Nachhaltigkeit, weil wir etwas dazulernen wollen. Weil wir Informationen, Ideen und Hinweise erhoffen, die uns für unseren Arbeitsalltag nützlich sein könnten. Weil wir erfahren wollen, wie andere ihre Probleme meistern. Weil wir Motivation suchen, um trotz vieler Widerstände und Rückschläge weiterzumachen. Um Lernprozesse sollte es vor allem bei der Nachhaltigkeit gehen, einer Thematik, bei der die entscheidende Frage noch immer offen ist: Wie schaffen wir die kollektive Wende in einem demokratischen Prozess?
Die Welt verändern mit schlechter Laune?
Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, mehrfach an den Tagungen der Commission on Sustainable Development (CSD) bei den Vereinten Nationen in New York teilzunehmen. Meine anfängliche Begeisterung, den internationalen Diskussionsprozess um Nachhaltigkeit mal ganz hautnah zu erleben, legte sich jedoch schnell: Die Delegierten tagten zwei Wochen lang in Räumen ohne Fenster, eine Sitzung jagte die andere, sie hetzten von "Side-Event" zu "Side-Event", man stritt und rang stunden-, später nächtelang um Sätze, meist nur um einzelne Worte. Manchmal gab es einen beeindruckenden Auftritt einer Rednerin, eines Redners, doch die Regel war ein eher technokratischer Diskussions- und Verhandlungsprozess, bei dem man vor lauter Klein-Klein das eigentliche Anliegen, die Nachhaltigkeit, gänzlich aus den Augen verlieren konnte. Ich fragte mich damals, ob man in solch einer Atmosphäre, in solch einem Setting, überhaupt signifikante Fortschritte erzielen könnte. Die Delegierten der Nationen, aber auch die vielen Vertreter von NGOs schienen mir in dieser kunstlichtgefluteten und von jeder natürlichen Welt abgeschotteten Umgebung auch von ihren Emotionen abgeschnitten zu sein: Nachhaltigkeit war hier auf irgendein Projekt degradiert, das vor allem aus bedrucktem Papier - und davon gibt es bei der UN reichlich - zu bestehen schien.
Wie lautet doch der wunderschöne Satz von Saint Exupéry? Sinngemäß: "Wenn Du willst, dass Menschen Schiffe bauen, dann lehre sie die Sehnsucht nach dem großen weiten Meer". Wonach haben die Delegierten aus aller Welt bei der CSD Sehnsucht, fragte ich mich. Wahrscheinlich hauptsächlich, dass das Theater bald ein Ende nähme. Oder ob sie sich als Teil eines global einmaligen und extrem bedeutsamen Entwicklungsprozesses sehen? Ich vermisste einen gemeinsamen Spirit. Zu viel verlangt angesichts der Pluralität widerstreitender Interessen? Mag sein. Aber es gab auch keinerlei Ansätze dafür, diese Menschen jenseits ihrer bürokratischen Anliegen, bei ihren Gefühlen zu packen, um ihnen zumindest ein Minimum an Gemeinsamkeiten hervorzulocken.
Emotionen sind Dünger fürs Denken
Wir wissen inzwischen viel darüber, welche Bedingungen und Voraussetzungen Lernprozesse brauchen, damit tatsächlich etwas "hängen bleibt", damit Menschen ihr Denken und anschließend ihr Verhalten ändern. Der Hirnforscher Gerald Hüther zeigt dies bei seinen (exzellenten) Vorträgen mit einem praktischen Beispiel: Die Zuhörer sollen ihre Hände falten und schauen, welcher Daumen dabei oben liegt. Danach erneut falten, aber nun bewusst anders herum. Das fühlt sich komisch an, bedarf einiger Übung, ist aber möglich. Für Hüther der Beweis: Man kann Gewohnheiten ändern, wir können uns ändern, müssen uns dafür aber ein bisschen anstrengen.
Es wäre schon viel erreicht, wenn die Veranstalter die Erkenntnisse der Hirnforschung berücksichtigen würden. Diese zeigt, dass unser Denken und Lernen nicht-linear funktioniert und auch nicht in erster Linie kognitiv. Wie viel wir behalten und in unserem Bewusstsein verankern, hängt nicht von der Menge an Informationen ab, die wir bei einer Tagung erfahren. Wir lernen vielmehr immer dann besonders leicht, wenn wir eine Erfahrung machen, die uns unter die Haut geht, die uns berührt.
Ich erinnere mich zum Beispiel bis heute an einen Vortrag an der Evangelischen Akademie in Tutzing, der mich vor vielen Jahren sehr beeindruckte, weil die Rednerin es verstand, mich erstaunen zu lassen, weil sie Bilder in mir erzeugte und zudem scheinbar fixe Wahrheiten zur Disposition stellte. Übrigens ganz ohne PowerPoint!
Doch Gefühle scheinen im Tagungsgeschäft unerwünscht zu sein. Immer schön sachlich bleiben, lautet die Devise. Gefühle lenken ab vom Denken. Fühlen stört. Folglich richten sich die meisten Referate und Wortbeiträge an "den Kopf". Sie argumentieren, analysieren, bilanzieren. Die schlechte Nachricht für alle mental Fixierten lautet jedoch: Ohne Gefühle geht gar nichts. Sie sind das Fundament, auf dem Informationsverarbeitung und Gedächtnis basieren. Positive Gefühle fördern das Knüpfen neuer Verbindungen von Nervenzellen. Das ist die körperliche Entsprechung dessen, was wir Lernen nennen. Anders gesagt: Gefühle sind Dünger fürs Denken.
Der Appell an die Veranstalter lautet also: Keine Angst vor Emotionen! Es darf ruhig unter die Haut gehen. Rationalität ist wichtig, aber ohne Emotionen können wir keine Entscheidungen treffen. Mit unserer Ratio vermögen wir die Fakten zu sortieren und Zusammenhänge zu analysieren. Erst mit Hilfe unserer Gefühle aber sind wir in der Lage, zu wissen, ob wir lieber B statt A tun wollen. Zu den uns leitenden Emotionen gehört sicher auch die Liebe als Triebkraft, in diesem Fall die Liebe zum Planeten Erde und seinen Menschen.
Wie sollten die zu Nachhaltigkeit passenden Tagungen aussehen?
Was heißt das nun für Tagungen? Wie sollten Veranstal?tungen zur Nachhaltigkeit konzipiert sein, dass die Menschen inspiriert nach Hause gehen? Meine Antworten:
Was können Organisatoren und Gestalter tun, um dieses zu realisieren? Für Michael Gleich, Journalist und Mit-Initiator des Netzwerkes 'Der Kongress tanzt' (www.der-kongress-tanzt.net) sind vier Schritte wichtig:
Im Profil
Heike Leitschuh ist Autorin und Moderatorin für Nachhaltigkeit.
www.fairwirtschaften.de
Nachhaltig Tagen im Bergdorf: Pionierarbeit in Alpbach
Nachhaltig tagen: Meetings, Workshops und Events made by BIO HOTELS
"GRÜNE" GASTRONOMIE- & VERANSTALTUNGSKULTUR
Nachhaltig tagen: Das Congress Centrum Alpbach setzt auf Energieeffizienz, Catering mit regionalen und saisonalen Produkten, die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Beschaffung anhand von Nachhaltigkeitskriterien und ein umfassendes Entsorgungskonzept. |
Am Nachmittag freuen wir uns auf den Workshop und hoffen auf die versprochene Diskussion - doch weit gefehlt. Auch hier haben die Veranstalter wieder drei ReferentInnen engagiert, die - mit den bekannten, aber nicht bewährten PowerPoint-Vorträgen - den größten Teil der Zeit beanspruchen. Als die dann endlich fertig sind, reicht es gerade noch für ein paar Nachfragen.
Auf dem Abschluss-Podium sitzen dann fünf oder sechs - im schlimmsten Fall noch mehr Experten. Die Moderatoren mühen sich redlich, doch eine richtige Diskussion kommt mit so vielen Menschen natürlich nicht zustande - und auch hier darf das Publikum höchstens mal eine Nachfrage stellen. Wie gesagt: Gäbe es die Pausen nicht, in denen man Kollegen oder Geschäftspartnerinnen treffen kann, die Reise hätte sich kaum gelohnt. "Paukschule mit PowerPoint" sagt dazu der Journalist Michael Gleich. Diese Paukschulen finden dann meist noch in Räumen statt, die die Lust am Denken und Diskutieren nicht gerade fördern: fenster- und schmucklos, oft - wegen der Beamer-Präsentationen - so stark abgedunkelt, dass man permanent gegen die Schläfrigkeit ankämpfen muss. Die Bestuhlung, in der Regel plenarisch, verhindert den Blickkontakt zu den Teilnehmern, ein guter Dialog, wenn denn überhaupt gewollt, ist so schlicht unmöglich. Entgegen unserer körperlichen Bedürfnisse werden wir zudem dazu verdammt, stundenlang still zu sitzen.
Dabei fahren wir doch voller Erwartung zu den Tagungen über die Themen der Nachhaltigkeit, weil wir etwas dazulernen wollen. Weil wir Informationen, Ideen und Hinweise erhoffen, die uns für unseren Arbeitsalltag nützlich sein könnten. Weil wir erfahren wollen, wie andere ihre Probleme meistern. Weil wir Motivation suchen, um trotz vieler Widerstände und Rückschläge weiterzumachen. Um Lernprozesse sollte es vor allem bei der Nachhaltigkeit gehen, einer Thematik, bei der die entscheidende Frage noch immer offen ist: Wie schaffen wir die kollektive Wende in einem demokratischen Prozess?
Die Welt verändern mit schlechter Laune?
Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, mehrfach an den Tagungen der Commission on Sustainable Development (CSD) bei den Vereinten Nationen in New York teilzunehmen. Meine anfängliche Begeisterung, den internationalen Diskussionsprozess um Nachhaltigkeit mal ganz hautnah zu erleben, legte sich jedoch schnell: Die Delegierten tagten zwei Wochen lang in Räumen ohne Fenster, eine Sitzung jagte die andere, sie hetzten von "Side-Event" zu "Side-Event", man stritt und rang stunden-, später nächtelang um Sätze, meist nur um einzelne Worte. Manchmal gab es einen beeindruckenden Auftritt einer Rednerin, eines Redners, doch die Regel war ein eher technokratischer Diskussions- und Verhandlungsprozess, bei dem man vor lauter Klein-Klein das eigentliche Anliegen, die Nachhaltigkeit, gänzlich aus den Augen verlieren konnte. Ich fragte mich damals, ob man in solch einer Atmosphäre, in solch einem Setting, überhaupt signifikante Fortschritte erzielen könnte. Die Delegierten der Nationen, aber auch die vielen Vertreter von NGOs schienen mir in dieser kunstlichtgefluteten und von jeder natürlichen Welt abgeschotteten Umgebung auch von ihren Emotionen abgeschnitten zu sein: Nachhaltigkeit war hier auf irgendein Projekt degradiert, das vor allem aus bedrucktem Papier - und davon gibt es bei der UN reichlich - zu bestehen schien.
Wie lautet doch der wunderschöne Satz von Saint Exupéry? Sinngemäß: "Wenn Du willst, dass Menschen Schiffe bauen, dann lehre sie die Sehnsucht nach dem großen weiten Meer". Wonach haben die Delegierten aus aller Welt bei der CSD Sehnsucht, fragte ich mich. Wahrscheinlich hauptsächlich, dass das Theater bald ein Ende nähme. Oder ob sie sich als Teil eines global einmaligen und extrem bedeutsamen Entwicklungsprozesses sehen? Ich vermisste einen gemeinsamen Spirit. Zu viel verlangt angesichts der Pluralität widerstreitender Interessen? Mag sein. Aber es gab auch keinerlei Ansätze dafür, diese Menschen jenseits ihrer bürokratischen Anliegen, bei ihren Gefühlen zu packen, um ihnen zumindest ein Minimum an Gemeinsamkeiten hervorzulocken.
Emotionen sind Dünger fürs Denken
Wir wissen inzwischen viel darüber, welche Bedingungen und Voraussetzungen Lernprozesse brauchen, damit tatsächlich etwas "hängen bleibt", damit Menschen ihr Denken und anschließend ihr Verhalten ändern. Der Hirnforscher Gerald Hüther zeigt dies bei seinen (exzellenten) Vorträgen mit einem praktischen Beispiel: Die Zuhörer sollen ihre Hände falten und schauen, welcher Daumen dabei oben liegt. Danach erneut falten, aber nun bewusst anders herum. Das fühlt sich komisch an, bedarf einiger Übung, ist aber möglich. Für Hüther der Beweis: Man kann Gewohnheiten ändern, wir können uns ändern, müssen uns dafür aber ein bisschen anstrengen.
Nachhaltig vernetzen: Positive Gefühle fördern das Knüpfen neuer Verbindungen von Nervenzellen. Ergeben also Loca?tion, Catering und Programm ein stimmiges Gesamtbild, wird beim Besucher ein bleibender Eindruck entstehen. |
Es wäre schon viel erreicht, wenn die Veranstalter die Erkenntnisse der Hirnforschung berücksichtigen würden. Diese zeigt, dass unser Denken und Lernen nicht-linear funktioniert und auch nicht in erster Linie kognitiv. Wie viel wir behalten und in unserem Bewusstsein verankern, hängt nicht von der Menge an Informationen ab, die wir bei einer Tagung erfahren. Wir lernen vielmehr immer dann besonders leicht, wenn wir eine Erfahrung machen, die uns unter die Haut geht, die uns berührt.
Ich erinnere mich zum Beispiel bis heute an einen Vortrag an der Evangelischen Akademie in Tutzing, der mich vor vielen Jahren sehr beeindruckte, weil die Rednerin es verstand, mich erstaunen zu lassen, weil sie Bilder in mir erzeugte und zudem scheinbar fixe Wahrheiten zur Disposition stellte. Übrigens ganz ohne PowerPoint!
Doch Gefühle scheinen im Tagungsgeschäft unerwünscht zu sein. Immer schön sachlich bleiben, lautet die Devise. Gefühle lenken ab vom Denken. Fühlen stört. Folglich richten sich die meisten Referate und Wortbeiträge an "den Kopf". Sie argumentieren, analysieren, bilanzieren. Die schlechte Nachricht für alle mental Fixierten lautet jedoch: Ohne Gefühle geht gar nichts. Sie sind das Fundament, auf dem Informationsverarbeitung und Gedächtnis basieren. Positive Gefühle fördern das Knüpfen neuer Verbindungen von Nervenzellen. Das ist die körperliche Entsprechung dessen, was wir Lernen nennen. Anders gesagt: Gefühle sind Dünger fürs Denken.
Der Appell an die Veranstalter lautet also: Keine Angst vor Emotionen! Es darf ruhig unter die Haut gehen. Rationalität ist wichtig, aber ohne Emotionen können wir keine Entscheidungen treffen. Mit unserer Ratio vermögen wir die Fakten zu sortieren und Zusammenhänge zu analysieren. Erst mit Hilfe unserer Gefühle aber sind wir in der Lage, zu wissen, ob wir lieber B statt A tun wollen. Zu den uns leitenden Emotionen gehört sicher auch die Liebe als Triebkraft, in diesem Fall die Liebe zum Planeten Erde und seinen Menschen.
Wie sollten die zu Nachhaltigkeit passenden Tagungen aussehen?
Was heißt das nun für Tagungen? Wie sollten Veranstal?tungen zur Nachhaltigkeit konzipiert sein, dass die Menschen inspiriert nach Hause gehen? Meine Antworten:
- Der richtige Ort. Es fängt bei der Wahl des Veranstaltungsortes an. Orte (oder besser Un-Orte), wie wir sie heute noch immer in vielen in den 1970er-Jahren gebauten Kongresshäusern finden, kommen nicht in Frage. Sie sind nicht menschengerecht. Wir brauchen Tageslicht! Wir brauchen Farben, Formen, Ausblicke, die der Seele guttun, bei denen wir uns als ganze und eben nicht nur kognitive Menschen fühlen.
- Qualität bei Essen, Ausstattung und Materialien. Nachhaltigkeit muss sich auch in der Ernährung zeigen, beim Umwelt- und Energiekonzept des Veranstaltungsortes und in den Materialien, die für die Tagung gebraucht werden. Stichwort "Green Meetings".
- Die Wahl der Formate. Nachhaltigkeit verlangt tiefgreifende Veränderungsprozesse. Tagungen könnten Teil dieser Veränderung sein, wenn sie so gestaltet sind, dass die Teilnehmer tatsächlich Lernprozesse vollziehen können. Im leider noch immer vorherrschenden Format - "viele Vorträge, garniert mit einer Podiumsdiskussion" - ist das kaum möglich. Tagungen sollten Raum und Zeit zu echter Partizipation ermöglichen und auch die körperlichen Bedürfnisse der Teilnehmer (Bewegung) berücksichtigen.
- Menschen berühren. "Wenn Nachhaltigkeit ein rein kognitives Projekt bleibt, wird es scheitern", formulierte einst Ralf Haubl, Direktor des Sigmund Freud-Instituts in Frankfurt. Also sollten auch Tagungen die Menschen berühren, sie aus ihren gewohnten Denk- und Gefühlsmustern reißen, sie irritieren, elektrisieren, aufwühlen, begeistern. Es geht also nicht in erster Linie um die Vermittlung von Informationen, sondern darum, Herz und Hirn in Schwingungen zu versetzen.
Was können Organisatoren und Gestalter tun, um dieses zu realisieren? Für Michael Gleich, Journalist und Mit-Initiator des Netzwerkes 'Der Kongress tanzt' (www.der-kongress-tanzt.net) sind vier Schritte wichtig:
- Veranstalter sollten im Vorfeld ihre Ziele klären und priorisieren. Oft nennen die Verantwortlichen gerade mal ein Ziel. Dabei ist offensichtlich, dass jeder größere (und teure) Event eine ganze Palette unterschiedlicher Vorgaben bedienen soll. Sie zu kennen und nach Wichtigkeit zu sortieren, ist unerlässlich, um wirklich auf den Punkt hin gestalten und strukturieren zu können.
- Veranstalter könnten ihre Budgets umverteilen. Meist geben sie den Löwenanteil für den äußeren Rahmen aus, für Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten und den weitaus kleineren für Inhalte, für Referenten, eigens produzierte Medien, didaktische und dramaturgische Beratung. Es ist wie bei einer Muschel: Die Schale ist wichtig, aber wertvoll ist die Perle.
- Veranstalter sollten ihre Professional Congress Organizers anders schulen. Diese sind vor allem logistisch und touristisch ausgebildet, aber nicht didaktisch, psychologisch oder szenografisch.
- Veranstalter sollten mit Kreativen zusammenarbeiten. Es bildet sich derzeit eine Szene von Freiberuflern heraus, die an alternativen Formaten und Vermittlungsformen arbeitet. Dazu zählen Graphic Recording (sie protokollieren mit Hilfe von Bildern), Moderatoren für lebendige Formate wie Open Space, World-Café oder Fish Bowl, Rednercoaches, Trainer für Art of Hosting (eine Methode, um interaktiver, engagierter und effektiver zu arbeiten), Facilitators (die sich eher als Begleiter denn als Steuerer von Gesprächen verstehen), Filmemacher. Das Netzwerk 'Der kongress tanzt' ist nur ein Beispiel für diesen Aufbruch zu neuen Ufern.
Dieser Text erscheint im Jahrbuch Ökologie 2014.
Von Heike Leitschuh
Im Profil
Heike Leitschuh ist Autorin und Moderatorin für Nachhaltigkeit.
www.fairwirtschaften.de
Zum Weiterlesen:
Nachhaltig Tagen im Bergdorf: Pionierarbeit in Alpbach
Nachhaltig tagen: Meetings, Workshops und Events made by BIO HOTELS
"GRÜNE" GASTRONOMIE- & VERANSTALTUNGSKULTUR
Quelle:
Wirtschaft | Green Events, 21.10.2013
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