Schönheit ist nicht alles

Nicht nur die Verpackung entscheidet, ob der Kunde zulangt.

Von Tina Teucher und Malte Kolb

Verpackungen geben Produkten das unverwechselbare Bild, in das wir uns mitverlieben sollen. Für das Marketing unverzichtbar, ist das Drumherum aus Nachhaltigkeitssicht eigentlich unnötig. Worauf muss die Branche achten, um auch anspruchsvolle Kunden von ihrer CSR zu überzeugen?

Balance-Akt geglückt? Die Verpackungsbranche schützt mit Materialien wie Glas, Plastik, Pappe oder Aluminium viele Produkte in der Lieferkette.
Foto: © BCME - Beverage Can Makers Europe

In Plastik verpackte geschälte Bananen? Die Kreativität der Verpackungsindustrie scheint keine Grenzen zu kennen, wenn es darum geht, neue Produkte anzubieten. Über Sinn und Unsinn solcher Innovationen lässt sich dagegen streiten. Selbst wenn sich heute noch Kunden dafür finden, schauen viele Investoren bereits auf die nachhaltige Ausrichtung der Verpackungsfirmen, denen sie ihr Geld geben wollen. Ratingagenturen wie oekom research in München bewerten deshalb die Leistungen der Branche. Doch wann gilt eine Verpackung als nachhaltig? Für ihre Einschätzungen betrachten die Analysten insbesondere drei Bereiche:

  1. Wie managt das Verpackungsunternehmen den Lebenszyklus und das Design seiner Produkte?
  2. Woher bezieht der Verpacker seine Rohstoffe? Versucht er von fossilen auf erneuerbare Rohstoffe umzustellen?
  3. Was unternimmt der Hersteller für die Sicherheit seiner Kunden und Produkte?

Die meisten Unternehmen achten kaum auf diese Kriterien, nur drei der insgesamt 16 analysierten Unternehmen konnten sich für den oekom Prime Status qualifizieren. Er wird an Unternehmen vergeben, die den von der Rating-Agentur definierten branchenbezogenen Anforderungen an das Nachhaltigkeitsmanagement genügen. Das einzige deutsche analysierte Unternehmen, die Gerresheimer AG erreicht die Note D auf der von A+ bis D- reichenden Skala.


Lebenszyklus und Design:
Die Ökobilanz zählt


Verpackungen beeinflussen die Umwelt über ihren gesamten "Lebensweg": Am Anfang brauchen sie Rohstoffe, am Ende muss man sie als Abfallprodukt entsorgen, dazwischen geben sie vielleicht sogar Stoffe an das "beschützte" Produkt ab. Deshalb müssen Verpackungshersteller bereits beim Design systematisch Nachhaltigkeitsaspekte einbeziehen. Dafür eignen sich insbesondere Ökobilanzen, die den gesamten Lebenszyklus eines Produkts analysieren. Im Idealfall geben sie detailliert Auskunft über verwendete Materialien, Ressourceneinsatz in der Produktion, Transportdistanzen, Verwendung beim Kunden und die Recycling-Infrastruktur, um aus Umweltsicht besonders kritische Punkte und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die meisten Verpackungshersteller führen solche Analysen bereits zumindest rudimentär durch. Deshalb zeichnen sich besonders nachhaltige Unternehmen dadurch aus, dass sie die verwendeten Annahmen und Parameter transparent machen und möglichst alle ihre Produkte im Detail untersuchen. Außerdem sollten sie die Ergebnisse veröffentlichen, ihre Analysen extern zertifizieren lassen und die Resultate systematisch verwenden, um die Ökobilanzen ihrer Produkte zu verbessern. Sehr gut schneidet in diesem Bereich lediglich das Unternehmen Amcor (AU) ab. Die meisten analysierten Unternehmen haben in diesem wichtigen Bereich noch Nachholbedarf.

Um Ressourcen zu sparen und Verpackungsabfall zu reduzieren, sollten Unternehmen das Gewicht ihrer Verpackungsprodukte und den Ressourcenverbrauch pro Verpackungseinheit verringern - indem sie z.B. auf andere Materialien umsteigen oder das Produktdesign verändern. Auch wer systematisch mit seinen Kunden zusammenarbeitet, kann Verpackungen vermeiden, die für den Transport bzw. Vertrieb nicht notwendig sind. Beim Ressourcensparen erhält Rexam (GB) eine sehr gute Note, auch Ball (US) und Amcor erzielen gute Ergebnisse. Der Großteil der Branche zeigt hier bisher jedoch wenig Engagement.


Rohstoff-Einkauf:
Weiß man, wo das Holz herkommt?


Ein wesentlicher Anteil der Umweltauswirkungen im Lebenszyklus einer Verpackung entsteht bereits bevor das Unternehmen überhaupt selbst produziert. Deshalb gehören Kriterien für die Beschaffung direkt in die Nachhaltigkeitsstrategie. Im Fokus stehen hierbei Papierverpackungen. Bestnoten erhalten Unternehmen, die sich in ihren Leit?linien dazu verpflichten, auf Holz aus Urwäldern sowie aus illegalem Einschlag zu verzichten und Holz aus (zertifiziert) nachhaltiger Forstwirtschaft zu verwenden. Darüber hinaus sollten Unternehmen systematisch sicherstellen, dass sie ihr Holz nicht aus kontroversen Quellen (z.B. bedrohten Regenwäldern) beziehen - z.B. durch Traceability-Systeme (zur Nachvollziehbarkeit), Risikoanalysen, sowie Audits und Schulungen von Mitarbeitern im Einkauf und Zulieferern. Hersteller von Plastik- und Aluminiumverpackungen diskutieren den verantwortungsvollen Bezug von Rohstoffen bisher kaum; trotzdem sollte auch dieser Sektor solche Zulieferer bevorzugen, die z.B. umfassende Umweltmanagementsysteme nutzen. Relativ gut bezüglich der nachhaltigen Holzbeschaffung schneiden Mayr-Melnhof (AT), Rock Tenn (US) und Smurfit Kappa (IE) ab. Bei Unternehmen, die andere Rohstoffe als Holz verwenden, finden sich zu dieser Thematik so gut wie keine Maßnahmen.

Bei Nachhaltigkeit schneidet die Verpackungsindustrie schlecht ab. Das Prime-Logo bekommen nur Unternehmen, die bestimmten Nachhaltigkeitskriterien genügen. Nur drei der 16 (18 Prozent) haben diese Prime-Schwelle (rechts der grünen Linie, C+ und besser) erreicht.
Quelle: oekom research AG
Gute Noten gibt es außerdem für Verpackungen, die ursprünglich auf fossilen Rohstoffen basieren und diese nun durch nachwachsende Rohstoffe (insbesondere Holz) ersetzen. Das Rating bewertet Bioplastikverpackungen zur Zeit nicht als per se positiv, da die teils kontroverse Diskussion hierzu noch anhält (z.B. Anbauflächen-Konkurrenz mit Nahrungsmitteln, strittige Ökobilanzen und Schwierigkeiten beim Recycling). Wer solche Verpackungen produziert, sollte transparent machen, dass er die bestehenden Herausforderungen anerkennt und zu deren Lösung beizutragen versucht. Ernsthafte Bestrebungen zur Umstellung des Produktportfolios hin zu auf nachwachsenden Rohstoffen basierten Produkten sind bei Herstellern von Plastik- und Aluminiumverpackungen nicht zu beobachten. Außerdem ist die Produktion von Bioplastik bei den von oekom research untersuchten Unternehmen bisher kaum ein Thema.


Produkt- und Kundensicherheit:
Gesetzliche Vorgaben reichen nicht


Die meisten Verpackungen kommen direkt mit Menschen in Kontakt. Insbesondere Nahrungsmittelverpackungen sollten nicht nur sauber sein, sondern auch keine gefährlichen Chemikalien enthalten, die in den menschlichen Organismus gelangen könnten. Relevant für gute Noten sind deshalb insbesondere umfangreiche Sicherheitstests und Hygienemaßnahmen, gut geplante Rückrufsysteme, umfassende Mitarbeitertrainings und Forschung bezüglich möglicher Gefahrenstoffe. Während die Unternehmen Smurfit Kappa und Amcor hier gute bis sehr gute Bewertungen erhalten, bleibt der Großteil der Branche bei diesem Thema sehr intransparent.

Deutscher Hersteller ganz hinten: Gerresheimer äußert sich bisher nicht öffentlich zum Thema Produktverantwortung und bekam daher im Rating null Punkte - wie vier andere Unternehmen auch.
Quelle: oekom research AG

Mit Blick auf die Gesundheit von Verbrauchern sollen Unternehmen außerdem bedenkliche Substanzen in ihren Produkten vermeiden bzw. zumindest schrittweise verringern. Hierzu gehören vor allem Bisphenol A (insbesondere bei Plastik und Plastikbeschichtungen) und Phthalate (unter anderem in Deckeln von Getränkeverpackungen). Außerdem besteht die Gefahr, dass Mineralölrückstände aus Recyclingkartons oder Druckfarben in Lebensmittel gelangen. Nachhaltige Unternehmen sollten den bestehenden Unsicherheiten und Risiken in diesem Bereich Rechnung tragen und sich bemühen, bedenkliche Substanzen zu ersetzen. In der Praxis berufen sich die Unternehmen jedoch größtenteils lediglich auf die bestehenden gesetzlichen Vorgaben, die jedoch in der Regel nicht ausreichend sind. So existieren in vielen Ländern so gut wie gar keine Vorschriften, in anderen sind sie beispielsweise auf Babyprodukte beschränkt. Gleichzeitig schätzen viele Experten die existierenden Grenzwerte als zu hoch ein. Die von den Verpackungsproduzenten ergriffenen Maßnahmen sind, wenn sie überhaupt existieren, nur von mäßiger Qualität. Eine Ausnahme ist das Unternehmen Mayr-Melnhof, das aktiv in diesem Bereich forscht und Lösungen entwickelt.


Über die Einzelergebnisse der analysierten Unternehmen können Sie sich über die Datenbanklösung ORBIT - oekom Responsibility Benchmarking & Information Tool oder ganz klassisch über den englischsprachigen oekom Industry Report Packaging informieren. Beide geben einen umfassenden Überblick über die Aktivitäten der Branche.


Im Profil

Malte Kolb ist bei der Rating-Agentur oekom research als Analyst für den Bereich Verpackungsbranche verantwortlich. Dabei ist ihm aufgefallen, dass der Großteil der Branche weiterhin der Meinung ist, dass ihre Verpackungen bereits allein deshalb nachhaltig seien, weil sie andere Produkte vor Beschädigung oder Verderben schützen.

Quelle:
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 16.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
     
        
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