"Für Uli Hoeneß ist Öko Quatsch" Teil 2
Gefährden Sie mit der Forderung, weniger Fleisch zu konsumieren, nicht Ihre eigene Geschäftsgrundlage?
Die Menschen sollen ja nicht komplett auf Fleisch verzichten müssen. Aber sie sollen weniger und dafür gutes Fleisch essen. Ich habe das tolle Buch von Jonathan Safran Foer „Tiere essen" gelesen und lebe seit zwei Jahren vegetarisch – wenn ich nicht in Herrmannsdorf bin. Ich bestelle kein Kalbsschnitzel oder Wiener Backhendl in einem Restaurant, wenn ich nicht genau weiß, wo die Tiere herkommen.
Dürfen wir überhaupt Tiere töten?
Ja, denn es ist ein Grundgesetz der Natur: Das eine lebt vom anderen. Wir können natürlich vegetarisch leben. Aber dann essen wir Eier und trinken Milch. Alte Hühner werden auch getötet. Damit die Kuh Milch gibt, muss sie ein Kälbchen gebären, aus den männlichen Kälbern werden Schnitzel, und schon ist man wieder im System. Konsequent wäre es, Veganer zu sein. Das ist ehrlicher. Meine Philosophie ist daher: Wenn ich schon ein Tier töte, was mir nicht leicht fällt, muss das Tier anständig gelebt haben und achtsam in den Tod befördert werden.
Vor welchen aktuellen Herausforderungen steht Ihr Betrieb?
Wir sind gut aufgestellt, haben einen großen Kundenstamm, der auf Herrmannsdorf schwört. Aber für mich und meine Familie ist klar, wir wollen nicht größer werden, nicht weiter wachsen. Wir wollen nur noch besser und schöner werden. Deshalb mache ich heute eine „symbiotische" Landwirtschaft.
Was verstehen Sie unter symbiotischer Landwirtschaft?
Es ist ein Paradigmenwechsel. Als ich vor zehn Jahren den Hof an meine Kinder übertragen habe, stellte sich die Frage, was mache ich denn jetzt. Ich spiele kein Golf und interessiere mich nicht für Kreuzfahrten. Aber ich will wissen, wie ich Gutes noch besser machen kann. Wie kann ich noch bessere Würste und Schinken herstellen? Also habe ich die Tiere aus den Ställen geholt – rein in die Natur, in die Wiesen und Hecken. Die Schweine haben nichts verlernt und sofort angefangen, im Boden nach Nahrung zu wühlen. Ich brauche also keine Pflüge, ich habe ja die Schweine. Schweine sind meine wichtigsten Mitarbeiter.
Dann kamen die Hühner dazu…
Hühner sind zu Recht ängstliche Wesen. Fuchs und Habicht sind hinter ihnen her. Bei den Schweinen fühlen sie sich aber sicher. Wenn die Schweine schlafen, picken die Hühner ihnen die Parasiten vom Rücken. Die Tiere bleiben immer nur für eine bestimmte Zeit auf dem Boden, dann kommen sie auf eine andere Fläche voll mit unterschiedlichen Pflanzen, die sie kostenlos „mähen". So kann sich der Boden regenerieren. Die alten Bauern haben gesagt, Schweisfurth, Du spinnst! Das weiß man doch, dass die Schweine die Hühner sofort fressen. Im Stall ja. Da würden die Schweine in kürzester Zeit alle Hühner auffressen. Aber nicht in der freien Landschaft. Und siehe da, eine wunderbare Symbiose ist entstanden: Das Zusammenleben verschiedener Arten zum gegenseitigen Nutzen – und zu deren Wohlbefinden.
Und das funktioniert?
Ja. Den Tieren geht es gut, das Fleisch schmeckt gut, besser geht’s überhaupt nicht. Es ist teuer, darin steckt der wahren Preis für die Qualität, die man bekommt, aber es ist nachhaltig.
Ist die Symbiotische Landwirtschaft finanziell tragfähig?
Allein für sich wohl nicht. Sie funktioniert nur in fairer Kooperation mit einem ökologischen Metzger, der die Produkte nach guter Handwerkskunst erzeugt, dabei die Warmfleischtechnologie konsequent einsetzt, selber würzt und auf Zusatzstoffe verzichtet. Unverzichtbar ist der eigene Verkaufsladen, wo man seine Erzeugnisse dem Verbraucher direkt anbietet. So kann man mit dem Kunden kommunizieren und glaubhaft machen, warum hier alles so ganz anders ist. Dann akzeptieren die Menschen den höheren Preis und das Ganze rechnet sich.
Was soll die Zukunft bringen?
Ich möchte, dass es viele Leuchttürme gibt. Denn ich denke nicht, dass sich das System von sich aus verändert. Daher brauchen wir gute Vorbilder. Das Prinzip muss sein, dass den Tieren kein Leid und kein Schmerz zugefügt wird. Wenn es den Tieren gut geht, geht es auch den Menschen gut. Ich weiß nicht, ob der Name symbiotische Landwirtschaft bleibt. Aber das Bewusstsein, das dahinter steht, Vielfalt, Kreisläufe, finde ich immer häufiger in den Medien. Ich behaupte, das vergangene Jahrhundert war die Zeit der Monokulturen. Dieses Jahrhundert wird die Zeit der Vielseitigkeit in der Landwirtschaft, der Symbiose. Ich würde mich freuen, wenn mehr Menschen, aufbauend auf unseren Erfahrungen, aktiv würden. Und wenn vermögende Menschen ihr Geld dafür einsetzten, ähnliche Leuchttürme aufzubauen, zu Ihrem eigenen Wohl und zum Wohl der Menschheit. Also, kucken wir mal.
Symbiotische Landwirtschaft
Die symbiotische Landwirtschaft kombiniert Wald, Wiese und Weideflächen und ist für Karl Ludwig Schweisfurth eine radikal andere Form der Landnutzung, insbesondere bei der Haltung von Tieren. Ziel ist die höchstmögliche Geschmacks- und Gesundheitsqualität von Fleisch sowie die Wahrung ethischer Grundwerte im Umgang mit dem Leben. Maßgeblich ist dabei zum einen, dass Nutztiere wie Rinder, Schweine, Schafe, Hühner, Enten, Gänse, Puten etc. miteinander in einem Koppelsystem von Weiden leben. Die Tiere leben von den Pflanzen, die dort angebaut werden und bilden untereinander Symbiosen: So schützen die Schweine die Hühner vor Räubern und wühlen den Boden auf, in dem die Hühner Futter finden. Gleichzeitig befreien die Hühner die Schweine von Parasiten und Krankheitserregern. Damit die Böden sich von den Tieren erholen können, ist zum anderen Mobilität entscheidend. Wie ein Wanderzirkus ziehen Tiere und Futterstellen von Koppel zu Koppel. Das System funktioniert allerding nur, wenn genug Platz vorhanden ist.
Unsere Buch-Tipps zum Weiterlesen
Karl Ludwig Schweisfurth
Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst
oekom verlag München, 2014
Mit einen Vorwort von Sarah Wiener
236 Seiten, 19,95 EUR
ISBN-13: 978-3-86581-470-8
Zwölf interessante Geschichten, die den passionierten
Metzgermeister zum „Auswärts"-Vegetarier machten.
Das Buch können Sie hier bestellen.
Karl Ludwig Schweisfurth
Tiere – Fleisch – Speise
Das Verbundkonzept
Wir stellen unsere Erfahrungen Unternehmern, Bauern und Handwerkern gerne zur Verfügung.
Broschüre gegen Schutzgebühr von 5,- € erhältlich bei:
Herrmannsdorfer Landwerkstätten,Steinhauser@herrmannsdorfer.de
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Lifestyle | Essen & Trinken, 01.07.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2014 - Tooooor! 3:0 für Nachhaltigkeit erschienen.
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