Filmemacher mit Leidenschaft und Beharrlichkeit

Mit starken Bildern und guten ­Geschichten aufklären und die Welt verändern

Verhaags Filme hatten einen wesentlichen Einfluss darauf, dass Wackersdorf geschlossen und das Ende des Atomzeitalters eingeläutet wurde. Er aktiviert Menschen, sich in Politik und Gesellschaft zu engagieren. Er ermutigt dazu, sich einzumischen. Sein aktueller Film „Der Bauer und sein Prinz" feiert auf Filmfestivals und in der Presse große Erfolge und erhielt bereits im ersten Halbjahr 2014 acht internationale Preise, davon einen für die beste Regie und zwei als bester Naturfilm. Mit poetisch eindrücklichen Bildern erzählt er von Prinz Charles und seinem charismatischen Farmmanager David Wilson, der die Duchy Home Farm als Musterbetrieb führt. Im Interview erzählt Bertram Verhaag, übrigens auch Kurator bei forum, über diesen Film, seine Arbeit und seine Vision:
 
Konsequent, beharrlich und nachhaltig fühlt er sich als Produzent, Autor und Regisseur ausschließlich politischen, umweltpolitischen und sozialen Themen verpflichtet. © DENKmal Film Herr Verhaag, was hat Sie dazu bewogen, Filmemacher zu werden?
Nach meinem Studium der Volkswirtschaft arbeitete ich als freier Mitarbeiter beim Münchner Stadtentwicklungsreferat an kritischen Studien über Wohnungsspekulation. Als diese Studien nach zwei Jahren Arbeit in geheimer Sitzung im Stadtrat abgehandelt wurden und dann in der Schublade verschwanden, entschloss ich mich, an die Filmhochschule zu gehen, um zukünftig selbst entscheiden zu können, was die Öffentlichkeit erfahren sollte.
 
Warum der kritische Dokumentarfilm?
Das lag sicher an meinem Studium während der 68iger-Jahre – ich wollte etwas bewegen, die Welt ein klein wenig besser machen.
 
Was war bisher Ihr wichtigster Film?
Meine über 30-jährige Karriere verlief in mehreren Entwicklungsstufen und jedes Mal gab es natürlich einen „wichtigsten Film": In den 80iger-Jahren war es „Spaltprozesse", dessen Titel nicht nur auf die Spaltung des Atomkerns hinweist, sondern vielmehr auf die Spaltung der Bevölkerung in Befürworter und Gegner von Atomanlagen. Der Film trug dazu bei, dass Wackersdorf geschlossen und ein Ende der Nutzung der Atomkraft greifbar wurde. In den 90iger-Jahren war es das Thema Rassismus, mit dem Film „Blue Eyed" („Blauäugig"), der von der Academy of Motion Picture Art and Sciences in Los Angeles als „einer der herausragenden Dokumentarfilme des Jahres" nominiert wurde. Dann kam Anfang 2000 der Kampf gegen Gentechnik mit „Leben außer Kontrolle". Heute ist es „Der Bauer und sein Prinz", mit dem ich eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft propagiere.
 
Welches war Ihr erfolgreichster Film?
Unser erfolgreichster Film war „Blue Eyed", der 14 internationale Auszeichnungen erhielt und in über 30 Länder verkauft wurde. „Der Bauer und sein Prinz" scheint jetzt ebenso erfolgreich zu werden, obwohl wir ihn in England – wo er gedreht wurde – und in der Welt außerhalb Europas nicht anbieten dürfen, weil unsere Gedanken über biologische Landwirtschaft anscheinend zu gefährlich sind. Sie könnten etwas ändern an der Welt, an unserer Lebens- und Produktionsweise.
 
Wie kam es zu „Der Bauer und sein Prinz"?
Im Rahmen einer geplanten Fernsehreihe „Zukunftsmacher" entstanden zwei Filme. Zum einen „Sekem – aus der Kraft der Sonne" über Ibrahim Abouleish und seine biologisch–dynamische Landwirtschaft in der ägyptischen Wüste. Zum anderen „Der Bauer und sein Prinz". Bernward Geier brachte nicht nur die Idee für diese Filmreihe ein, sondern aus seiner früheren Tätigkeit als IFOAM-Geschäftsführer auch den Zugang zum englischen Hof. Wir bekamen dort eine exklusive Drehgenehmigung, aber keine Fernsehfinanzierung oder sonstige Förderung! Es war wie bei unserem erfolgreichsten Film „Blue Eyed", den auch keine Fernsehanstalt haben wollte. Also finanzierte ich das sehr aufwendige und teure Projekt über fünf Jahre hinweg aus eigener Kraft. Wir durften jeweils nur einen Tag drehen und brauchten demnach ein großes Team. Erschwerend war die extrem lange Schnittzeit, sowie ewige Diskussionen mit dem Pressebüro, das uns den Prinzen zunächst nicht für ein Interview „geben" wollte. Mit viel Cleverness und Glück „ergatterte" Bernward Geier schließlich doch zwei Interviewtermine mit HRH Prinz Charles. Der zweite Termin war nach Dispo-Plan des Pressebüros an einem eiskalten Morgen im Winter von 10:10 Uhr bis 10:20 Uhr! Gott sei Dank war der Prinz etwas großzügiger … und so entstanden weitere packende Szenen zu diesem schönen und bewegenden Film.
 
Was ist das Besondere an diesem Film?
Das Besondere an diesem Film ist, dass wir einem Menschen sehr nahekommen konnten, der die Verletzung der Natur und des Bodens durch die jahrzehntelange konventionelle Landwirtschaft tief im Innersten spürt und alles dafür gibt, die Natur wieder zu heilen. Es war für mich beeindruckend, dass er Worte wählte wie „heilen" und „verletzen". Das heißt: Er sieht die Natur als etwas Lebendiges und nicht als reinen Produktionsfaktor, den man zur Gewinnmaximierung grenzenlos nutzen darf. Über 300 Jahre war den Menschen dieses mechanistische Weltbild (Descartes) eingetrichtert und als Wahrheit oder Tatsache verkauft worden, um die Natur gnadenlos ausbeuten zu dürfen. Der Prinz hatte Land, Geld und den festen Willen, eine Musterfarm zu schaffen, die funktioniert, schwarze Zahlen schreibt und viele Bauern aus Groß-Britannien und auch weltweit anlockt. Sie holen sich dort auf der Duchy Home Farm Zuversicht und das Wissen, um ihre eigene Landwirtschaft umzustellen.
 
Wie reagieren Fachpublikum und Festivals?
Die Festivals reagierten mit acht internationalen Preisen. Doch mehr als das Fachpublikum interessieren mich normale Zuschauer, die plötzlich entdecken, dass Prinz Charles keineswegs so verrückt und spinnert ist, wie er gerne dargestellt wird.
 
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Ein Film zum Thema Gentechnik, „Code of Survival – oder das Ende der Gentechnik". In diesem Film stellen wir die Zerstörung und Missachtung des Bodens durch die Gentechnik der Demut und Ehrfurcht gegenüber, mit der verantwortliche Bauern dem wertvollsten Gut, das wir haben, dem Boden, begegnen. Der Film soll Mitte 2015 ins Kino kommen und endlich das „Ende der Gentechnik" einläuten.
 
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Gute Gesundheit, viel Kraft und auch Geld, um weitere Filme machen zu können über die Heilung unseres Bodens und die Erleuchtung des Bewusstseins der Menschen, die oft achtlos und ohne Ehrfurcht und Respekt über diesen Boden gehen – auch wenn Kies und Asphalt dazwischen sind.
 
 
 
Seit über 30 Jahren dreht Bertram Verhaag im Rahmen seiner eigenen Produktionsfirma DENKmal-Film Dokumentarfilme. In drei Jahrzehnten entstanden etwa 120 Filme, darunter acht abendfüllende Kinoproduktionen. Konsequent, beharrlich und nachhaltig fühlt er sich als Produzent, Autor und Regisseur ausschließlich politischen, umweltpolitischen und sozialen Themen verpflichtet. Bertram Verhaag ist wahrscheinlich der mit den meisten Preisen ausgezeichnete deutsche Dokumentarfilmer. Im Juni 2013 erhielt er für sein unablässiges Engagement und seine hervorragende Film­arbeit den renommierten B.A.U.M.-Umweltpreis.

Gesellschaft | Bildung, 01.01.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2015 - Grünes Reisen im Trend erschienen.
     
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