Wann ist nachhaltig auch werthaltig?

Der T(h)urmblick

Den haben Sie sicher schon mal gehört: "Wir kennen von allem den Preis, aber von nichts den Wert". Nun bemüht sich die Nachhaltigkeitsdiskussion verstärkt, den Ökosystemdiensten einen Preis beizumessen - die berüchtigte "Internalisierung externer Effekte". Damit, so meint man, brächte man Preis und Wert dann endlich in Übereinstimmung. Tatsächlich haben das langjährige Basiswerk von TEEB wie auch das Ökosystemassessment von WBCSD/WRI viel dazu beigetragen, um die Bepreisung der Leistung der Manufaktur Erde für uns Ökonomen und Umwelt-Strategen einfacher zu machen.
 
Foto: © freshidea,Fotolia.com Das Beispiel der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung, wie sie Puma seit 2010 konsequent angeht, ist durch diese Entwicklungen erst möglich geworden. Man sollte diesen Schritt nicht einfach abtun als unvollständig, unehrlich (weil ja nicht wirklich bezahlt) und Marketing-getrieben. Tatsächlich wird Puma in die Geschichte eingehen - auch wenn sie tatsächlich nicht die Ersten mit einer ökologischen Gewinn-und Verlustrechnung waren. Der Sportartikelhersteller macht deutlich, wie die Kraft und Transparenz von Zahlen ein Unternehmen auf mehreren Ebenen und ganzheitlich beeinflusst hat. Gerade bei Sportartikelherstellern wird klar, dass der Großteil des vom Unternehmen verursachten ökologischen Fußabdrucks ganz unten in der Wertkette liegt. Das gilt übrigens für die meisten Wertketten, wird aber als quasi unbeeinflussbar gesehen, weil "so weit weg".

Die Erkenntnisse sorgen für eine enorme Sensibilisierung innerhalb des Unternehmens. Auch wird anders gerechnet: Zwar muss man die monetarisierten und in der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommenen "Schattenkosten" (noch) nicht bezahlen, sie spornen aber doch zur Minimierung an. Und letztlich können auf Basis dieser Daten langfristige Unternehmensentscheidungen mit Tragweite getroffen werden. So erfährt man, dass Puma aufgrund des enormen Anteils der Ledergewinnung auf der letzten Stufe der Wertkette - der Landwirtschaft - nun den Abschied von Lederwaren im Sortiment beschlossen hat. Natürlich muss hier für Ersatz gesorgt werden. Und so kann man sicher sein, dass die Innovationsbemühungen bei Puma darauf hinzielen, Substitutionsprodukte so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen, um den Marktanteil mindestens zu halten, wenn nicht sogar durch positive Imagewirkung sogar noch zu vergrößern. Nachhaltig wäre in diesem Fall wohl auch werthaltig.

Gasbohrungen sind nur kurzfristige Lösung
Wie befremdlich anders wirkt im Vergleich hierzu die derzeitige Diskussion um "shale gas" und "fracking", die der amerikanischen Industrie bis spätestens 2020 eine vermeintliche Energieunabhängigkeit bescheren sollen und so gerne als "öko" verkauft werden (Gas ist ja in der CO2-Bilanz nur halb so schlimm wie Rohöl). Wie verhängnisvoll kurzsichtig ist das Negieren der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung in diesem Fall! Jeder Dollar, der nicht für erneuerbare (und somit langfristige und werthaltige) Energiegewinnung investiert wird, hilft China, langfristig die Führungsrolle im Bereich Erneuerbarer Energie zu übernehmen. Dazu kommt die Unerfahrenheit mit den langfristigen Konsequenzen und die Kosten für die Hebung des Gases, verbunden mit dem Einsatz von Chemikalien und Wasser, das ja im 21. Jahrhundert auch nicht gerade ein Gut im Überfluss darstellt. Mal ganz abgesehen von einem Katastrophenfall, der das nationale Bewusstsein der Amerikaner im Mark erschüttern würde (Deepwater Horizon wirkt nach und Alaskas Widerspenstigkeit ist derzeit offensichtlich und bereitet nicht nur Bürgern Kopfzerbrechen). Langfristig werden die Amerikaner den Zug in Richtung Erneuerbare Energien verpassen.

Eine frühzeitige Überprüfung der nationalen ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung hätte wohl andere Richtungen vorgegeben. Die Rechnung dafür, dass jetzt externe Kosten ausgeklammert werden, wird irgendwann auf dem Tisch landen - entweder durch Zusatzkosten oder unüberwindbare Markteintrittsbarrieren bei den Erneuerbaren. Zu den externen Kosten gesellen sich später noch die sog. "Stranded Assets" (Anlagen, die obsolet geworden sind, aber in der Bilanz noch immer geführt und abgeschrieben werden müssen, z.B. Pipelines oder Raffinerien) und deren Nachsorgekosten. Der Erfahrungsverlust vergrößert sich mit jedem verpassten Jahr und Skalenvorteile kann man gegen China mit dieser Strategie nur verlieren. Peking dankt. So können wir heute schon darauf wetten, welche (geo-)politischen Verwerfungen diese Kurzsichtigkeit noch mit sich bringen wird. Vermeintliche Nachhaltigkeit also, die nicht werthaltig ist. Den Amerikanern kann man nur Glück wünschen; und uns das geschickte Händchen, mit der Energiewende konsequent den Kielsog einer weiteren amerikanischen Rezession umschiffen zu können, die kommt rund 2020 nämlich so sicher wie das Amen in der Kirche und ist wiederum komplett hausgemacht.
 
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Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne "Der T(h)urmblick". 

Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 28.03.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2013 - Städte von morgen erschienen.
     
        
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