Jetzt Boden gutmachen!
forum im Interview mitVolkert Engelsman
Ohne gesunden Boden keine gesunden Nahrungsmittel. So einfach ist das! Volkert
Engelsman ruft deshalb im forum-Interview zur Rettung der Böden auf.
Der Boden hat ein Imageproblem. Denn obwohl er so wichtig ist, für Mensch,
Tiere, Pflanzen und Klima, nehmen nur wenige seine Bedeutung und damit seine
Gefährdung wahr. Das Problem: Die Folgen einer jahrzehntelangen Ausbeutung des
Bodens sind nicht unbedingt mit bloßem Auge erkennbar, wie beispielsweise der
Rückgang der Eisschichten. Dennoch sind sie ebenso schwerwiegend. Rodungen,
Versiegelungen durch Beton, Überdüngung und der Anbau von Monokulturen in der
konventionellen Landwirtschaft haben innerhalb kürzester Zeit fruchtbare Böden
zerstört, die in Tausenden von Jahren entstanden sind. Schon jetzt wird Boden
knapp. Der „Bodenatlas 2015" macht dies in zahlreichen Infotexten und -grafiken
deutlich und warnt: Bereits ein Viertel der Böden weltweit ist degradiert und
nicht mehr nutzbar.
Höchste Zeit zu handeln!
„Jede Entscheidung für Bio-Lebensmittel ist ein Beitrag zur Rettung unserer
Böden", so Volkert Engelsman, Geschäftsführer von Eosta und Initiator von „Save
Our Soils – Rettet unsere Böden", eine der zahlreichen Kampagnen, die sich für
den Schutz der fruchtbaren Böden einsetzt. forum hat mit ihm über die Bedeutung
von Böden gesprochen und ihn gefragt, wie der Verbraucher aktiv werden kann.
Herr Engelsman, Ziel Ihrer Kampagne „Save Our Soils" ist es, den Verbrauchern
die Bedeutung von Böden näherzubringen. Warum sind gesunde Böden denn so
wichtig?
Vielen Menschen ist eine wichtige Tatsache nicht bekannt: 99,7 Prozent unserer
Lebensmittel haben ihren Ursprung im Boden. Ist die Fruchtbarkeit der Böden
zerstört, ist als Konsequenz auch unmittelbar die Sicherstellung der
Welternährung massiv gefährdet. Mindestens ein Viertel bis zu einem Drittel
aller Organismen auf unserem Planeten leben im Boden – die Biodiversität des
Bodens ist also die Grundlage unserer Nahrungskette. Wird sie zerstört,
zerstören wir auch unsere Existenzgrundlage.
Unsere Böden haben aber auch noch eine weitere wichtige Aufgabe, denn sie binden
Kohlenstoff. Zerstörte Böden können das aber nicht mehr und das hat
katastrophale Folgen für unser Klima: Der Boden speichert mehr Kohlenstoff als
die Atmosphäre und alle Pflanzen auf der Erde zusammen. Die Freisetzung von nur
0,1 Prozent des Kohlenstoffs, der in den Böden Europas gespeichert ist, ist
gleichzusetzen mit dem jährlichen Ausstoß von 100 Millionen Autos.
Was genau bedroht die Fruchtbarkeit der Böden weltweit?
Die weltweite Bodenzerstörung ist die Folge eines Landbaus, der auf rasche
Erträge bedacht ist. Vor allem die Methoden des konventionellen Landbaus
gefährden unsere Böden massiv: Synthetische Kunstdünger, Herbizide und Fungizide
bergen nicht nur gesundheitliche Risiken für die Landarbeiter, sie laugen auch
die Böden aus und zerstören die so wichtige Biodiversität in den Böden. Im
Ergebnis können die Böden die Pflanzen nicht mehr selbstständig mit ausreichend
Nährstoffen versorgen. Ein weiteres Problem ist, dass zerstörte Böden Wasser
schlecht oder gar nicht mehr speichern können. Das so wertvolle Wasser
versickert oder verdunstet und die Gefahr für Erosion, Versandung, Erdrutsche,
Dürren oder Fluten steigt dramatisch.
Aber auch durch die Versiegelung in den Städten geht fruchtbarer Boden verloren.
Neue Untersuchungen gehen davon aus, dass sich die gegenwärtige Wachstumsrate
verdoppeln wird und in 20 Jahren eine Bodenfläche in der Größe von Südafrika
versiegelt sein wird.
Welche Auswirkungen hätte es, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher?
Da müssen wir gar nicht im Konjunktiv sprechen, die Auswirkungen spüren wir
bereits jetzt! In jeder Minute, in der wir hier miteinander reden, geht
wertvoller Mutterboden in der Größe von 30 Fußballfeldern verloren, das belegen
Untersuchungen der Vereinten Nationen. So wurden bereits rund ein Viertel der
nutzbaren Flächen weltweit der Vernichtung preisgegeben. Erosion, Verlust der
Artenvielfalt, Überflutungen und Klimawandel sind Folgen, vor denen wir die
Augen nicht mehr verschließen können.
Wie kann die Fruchtbarkeit der Böden zurückgewonnen werden?
Die gute Nachricht ist: Es gibt einen Ausweg aus diesem Dilemma! Weltweit gibt
es etwa 750 Millionen Hektar zerstörtes Ackerland, das wieder nutzbar gemacht
werden kann. Eine der effektivsten Methoden ist dabei der ökologische Landbau.
Man muss sich das so vorstellen: Für einen Bio-Bauern ist der Boden ein
lebendiger Organismus, den er durch eine wechselnde Fruchtfolge und den Einsatz
von Kompost mit Nährstoffen versorgt. Langfristig ergeben sich daraus eine Menge
Vorteile: Die Fruchtbarkeit und Produktivität der Böden steigen, der Boden kann
Wasser besser speichern, was weniger Erosion und somit einen besseren Schutz vor
Flut und Dürre bedeutet, es besteht eine erhöhte Resistenz gegen Schädlinge und
Krankheiten und eine verbesserte Kohlenstoffspeicherung. Aber vor allem kann ein
gesunder Boden die Pflanzen mit allem versorgen, was sie zum Wachsen benötigen.
Wenn der Boden gesund ist, sind es auch die Pflanzen sowie die Tiere, die diese
Pflanzen essen und somit auch wir. Gesunde Böden sind unsere Existenzgrundlage.
Was können Verbraucher konkret tun, um zu verhindern, dass Böden weiter
ausgelaugt werden?
Als Verbraucher hat man eine ungemeine Macht, denn wann immer man Geld für etwas
ausgibt, ist das ein Votum für die Art von Welt, in der man leben möchte. Jede
Entscheidung für Bio-Lebensmittel ist so ein Beitrag zur Rettung unserer Böden.
Aber es ist auch wichtig, die Menschen in der eigenen Umgebung zu informieren
und auch zu motivieren. Jeder kann beispielsweise als „Urban Gardener" aktiv
werden, seine Mitmenschen für das Bodenproblem sensibilisieren und auch in der
Stadt wieder an der Natur teilhaben.
Die Kampagne „Save Our Soils – Rettet unsere Böden"
Dass jeder Einzelne aktiv werden kann, zeigt die Kampagne „Save Our Soils –
Rettet unsere Böden" von Nature & More. Neben der internationalen Konferenz
„Celebrating Soil! Celebrating Life!" im Sommer 2015, die verschiedene Experten
zum Thema Boden zusammenbringt, hat Nature & More die Aktion „Werde
BodenBotschafter!" ins Leben gerufen. Die prominenten Bodenpaten, Fernsehköchin
Sarah Wiener und Umweltaktivistin Vandana Shiva, machen es vor: Sie setzen mit
öffentlichen Guerilla Gardening-Aktionen ein aktives Zeichen für den Boden. Die
Kampagne ruft jeden dazu auf, „Stadtbauer" oder „Guerilla Farmer" zu werden. Und
nicht nur das: Nature & More plant weitere kreative Aktionen wie die
Facebook-Aktion „I Like Organic".
Weitere Informationen:
Volkert Engelsman
ist Gründer und Geschäftsführer von Eosta. Mit der Handelsmarke „Nature & More"
setzt er sich für mehr Transparenz im Bio-Handel ein. Daneben engagiert er sich
für den Bodenschutz und fördert die ökologische Landwirtschaft weltweit.
Umwelt | Wasser & Boden, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
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