'Urlaub daheim'
Regional, sportlich und modern
Wer regional reist, entdeckt die eigene Heimat neu und beginnt seinen Urlaub
direkt vor der Haustür! Urlaub daheim stärkt nicht nur Körper und Geist, sondern
auch die ländliche Region und die heimische Wirtschaft!
Urlaub in der Region, Naturerlebnis und sportliche Aktivität lassen sich
wunderbar mit dem Rad kombinieren. Mit eigener Muskelkraft durch die Landschaft
zu stromern, das spornt immer mehr Urlauber an. Und spätestens seit dem
Siegeszug der E-Bikes und Pedelecs kommen auch Fahrrad-Novizen und Mid-Ager in
den aktiven Naturgenuss. Allein in Deutschland wurden 2014 rund 480.000
Elektroräder verkauft. Das sind noch einmal 70.000 mehr als im Vorjahr!
Deutschland per Rad
entdecken
So heißt einer der beliebtesten Radreiseführer im Land. Jüngst brachte der
Allgemeine Deutsche Fahrradclub e.V. (ADFC) die zehnte Ausgabe seiner Broschüre
heraus. Die erste Ausgabe erschien 1999 und enthielt noch etwa 30 Routen für
Radfahrer, inzwischen sind es 165! In den letzten 15 Jahren wurde das
Streckennetz so massiv ausgebaut, dass sich mittlerweile rund 75.000 Kilometer
Radwege durch ganz Deutschland ziehen. Zum Vergleich: Das deutsche Autobahnnetz
umfasst knapp 13.000 Kilometer. Auch entlang ehemaliger Bahntrassen erstrecken
sich heute viele neu angelegte Radwanderwege. Durch Tunnel und Wälder, über
Viadukte und Täler finden Radler auf den stillgelegten und sanierten
Gleisanlagen fantastische Bedingungen vor. Und zwar für die ganze Familie: Mehr
als 2,5 Prozent Steigung gibt es hier nicht, Autos kommen nur selten in die
Quere und meist sind die Wege über zwei Meter breit.
Radfahrer als Wirtschaftsfaktor
Laut der aktuellen Reiseanalyse haben im Jahr 2014 rund vier Millionen Deutsche
einen Radurlaub mit drei oder mehr Übernachtungen unternommen. Die passenden
Unterkünfte finden Radler beispielsweise im Bett & Bike-Verzeichnis des ADFC.
Mehr als 5.500 radfahrerfreundliche Übernachtungsmöglichkeiten sind hier bereits
gelistet. Solche Angebote steigern nicht nur die Buchungszahlen der Hotels,
sondern unterstützen ebenso die Radfahrer bei der komfortablen Urlaubsplanung.
Wer mit dem Rad unterwegs ist, reist mit wenig Gepäck. Nur das Notwendigste wird
festgeschnallt und spätestens nach der zehnten Kurve wird man sich der
Natürlichkeit und Freiheit dieser Urlaubsform bewusst – eine bestechende
Erklärung für ihre Popularität. Natürlich werden nicht alle Strecken
ausschließlich mit dem Rad zurückgelegt. Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder
gibt es allerhand. Etwa in Bahn oder Bus – aber nur so lange der Vorrat reicht!
Denn wer an sonnigen Wochenenden etwa per Zug und Rad von Stralsund in Richtung
Rügen aufbricht, muss hoffen, dass er noch eine Lücke in der meist überfüllten
Regionalbahn erwischt. So ist die Situation an einigen beliebten Strecken. Ein
Grund für viele Familien, eben doch zum PKW zu greifen. Zwei Tatsachen sind
unumstritten. Erstens: Der PKW ist der Deutschen liebstes Reisemobil – auch beim
Urlaub in der Region. Zweitens: Die Autofahrten zum, im und vom Urlaubsort
füllen den größten CO2-Rucksack der ganzen Reise. Einige Initiativen setzen sich
deshalb für eine klimaschonende Anreise ein – gerade, wenn es um sensible
Naturregionen geht. So etwa die Kooperation Fahrtziel Natur zwischen dem Bund
für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem Naturschutzbund Deutschland
e. V. (NABU), dem Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) und der Deutschen Bahn AG
(DB).
Mit der Bahn im grünen Bereich
Seit 2001 setzt sich Fahrtziel Natur dafür ein, dass attraktive und zugleich
sensible Naturräume möglichst umweltschonend mit der Bahn und dem öffentlichen
Nahverkehr entdeckt werden können. Dabei liegen die aktuell 22 Fahrtziel
Natur-Regionen zumeist in Natur- und Nationalparken. Und diese sind aufgrund
ihrer Schönheit und Einzigartigkeit bei Urlaubern sehr beliebt. Allein der
Nationalpark Bayrischer Wald mit einer Fläche von über 24.000 Hektar wird
jährlich von zehn Millionen Besuchern angesteuert und erwirtschaftet damit rund
100 Millionen Euro Jahresumsatz. Und er ist nicht allein. Insgesamt gehört über
ein Viertel der Fläche Deutschlands geschützten Naturgebieten an! Das bedeutet:
Das nächste Naturdenkmal ist nie weit entfernt und kann gewiss auch ohne Auto
erreicht werden!
Urlaubserlebnis ohne Auto
Dass dies auch in den Alpen möglich ist, beweist Alpine Pearls, ein vielfach
prämierter Verein, der sich für nachhaltiges Reisen im Alpenraum engagiert. Seit
2006 machen sich die nunmehr 27 Mitgliedsorte in sechs Ländern dafür stark, bei
Reisen auf das eigene Auto zu verzichten und lieber auf sanft-mobile Weise,
sprich umweltfreundlich und klimaneutral, die Alpen zu erkunden. Alle „Perlen
der Alpen" bieten eine Mobilitätsgarantie sowohl für die An- und Abreise als
auch vor Ort. Neben dem öffentlichen Nahverkehr stehen beispielsweise
Wanderbusse, Shuttle-Taxis, Elektroautos und -fahrräder sowie Pferdekutschen für
eine umfassende Bewegungsfreiheit bereit. Darüber hinaus bieten die Perlen der
Alpen sanft-mobile Pauschalen und Zusatzleistungen wie Verbundkarten für den
Nahverkehr („Mobilcard") und organisierte Touren zu lokalen Naturdenkmälern und
Sehenswürdigkeiten an. Diese große Auswahl wird durch Kooperationen zwischen
Tourismusorganisationen, Verkehrsverbünden, Natur- und Nationalparken sowie
Bahn- und Busunternehmen sichergestellt. Mit dem neuen Projekt Alpine Pearls
Gastgeber weitet das Netzwerk seine Bestrebungen zur Förderung der
Nachhaltigkeit auf Unterkunftsbetriebe aus. „Ein Anfang ist geschafft",
berichtet Geschäftsführerin Karmen Mentil. „Seit Herbst 2014 haben sich 40
Hotelbetriebe als Alpine Pearls Gastgeber zertifizieren lassen und erfüllen
einen Kriterienkatalog, der ihr Engagement in Sachen sanfter Mobilität,
erneuerbarer Energien und Nachhaltigkeit zeigt. Dabei leisten wir Hilfestellung
und schaffen Motivation. Unsere Urlaubsorte sind ideal für Menschen, die im
Urlaub einen Rund-um-Sorglos-Service ohne eigenes Auto wünschen. Das World
Travel & Tourism Council (WTTC) zeichnete unser Engagement mit dem 1. Platz beim
Tourism for Tomorrow Award aus. Über diese und andere Auszeichnungen sind wir
besonders stolz."
Eine Allianz für die Berge
Da die Berge einen überdurchschnittlich hohen Erlebnis- und Urlaubswert bieten,
gleichzeitig aber auch vom Tourismus gefährdet sind, hat sich die Sustainable
Mountain Tourism Alliance (SMTA) gebildet. Diese Allianz vereint wichtige
Akteure, um grenzüberschreitend den Schutz der Bergwelt und einen sanften
Tourismus zu fördern. In der kommenden Ausgabe von forum werden gemeinsam mit
SMTA Wege für einen nachhaltigen Winterurlaub in den Bergen vorgestellt. Senden
Sie uns dazu gerne auch Ihre Best Practise und Anregungen.
Vom Campen in Bäumen
Zurück in den Sommer: Immer mehr Unterkünfte verlassen den sicheren Boden und
bauen hoch hinaus. Baumhaushotels gibt es weltweit und auch in Deutschland sind
sie mittlerweile vielerorts zu finden: im Spessart und im Weserland, in
Niederfranken und Oberbayern oder auch in der Lausitz und im Schwabenland. Dabei
reichen die Angebote vom Einsiedlerurlaub ohne W-Lan und Handyempfang bis zur
Luxusvariante – neudeutsch auch Glamping genannt. Einen Schritt weiter gehen die
Gründer der Organisation TreeLounge – „Leben im Baum". Gemeinsam mit ihren
Kunden realisieren sie den Wunsch vom eigenen Baumhaus: vom Spielhaus für die
Kleinen bis zum dauerhaft bewohnbaren Heim für große Träumer. Und wer das Leben
im Baumhaus lieber erst einmal testen möchte, kann die Erfinder ab Juli dieses
Jahres in ihrem ersten TreeLounge-Hotel im Norden Deutschlands besuchen.
Übernachten im Wald oder in Holzhütten wurde bislang eher dem alternativen
Abenteuerurlauber zugeschrieben. Doch Baumhaushotels zeigen eine ganz besondere
Form des Campingerlebnisses: Eingebettet in Landschaftsräume, bieten sie ihren
Gästen Naturnähe und -verbundenheit. Sie helfen neuen Zielgruppen, den Blick für
die Natur zu schärfen, und beweisen die Attraktivität und Modernität von „Urlaub
daheim".
Weitere Informationen:
Eco-Campingplätze und nachhaltige Jugendherbergen
Der Verein Ecocamping setzt besondere Akzente auf Umweltschutz, Sicherheit und
Qualität. Im Mittelpunkt steht das Wohl der Gäste und der Natur. Über 240
Campingplätze haben sich den gemeinsamen Zielen des Vereins verschrieben, was im
Einzelnen bedeutet: Strom und Wasser effizient zu nutzen, Abfälle zu vermeiden,
Boden und Gewässerbelastungen zu verringern oder auch ökologische
Reinigungsmittel und regionale Produkte zu verwenden. Naturverträglichkeit,
Umweltbildung und nachhaltige Mobilität werden hier groß geschrieben! Diese
Grundsätze verfolgen auch immer mehr Jugendherbergen in Deutschland. Mit dem
Deutschen Nachhaltigkeitspreis wurden jüngst die 32 Jugendherbergen des
Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) ausgezeichnet. Damit gehören die
Jugendherbergen im Nordwesten Deutschlands zu den nachhaltigsten Unternehmen
mittlerer Größe. Und nicht nur Schüler und Gruppen profitieren davon. Vor allem
Familien nutzen verstärkt das Jugendherbergsangebot. Allein im Jahr 2014 haben
mehr als zehn Millionen Menschen in den Jugendherbergen des DJH übernachtet.
Weitere Informationen finden Sie unter www.ecocamping.net und www.nordwesten.jugendherberge.de
Stefanie Kuhnt
ist seit Jahren in der Tourismusbranche tätig und schließt diesen Sommer ihr
Masterstudium „Nachhaltiges Tourismusmanagement" an der Hochschule für
nachhaltige Entwicklung in Eberswalde ab. Verantwortungsbewusstes Handeln im
Alltag und auf Reisen sowie die kritische Auseinandersetzung mit den aktuellen
Erfordernissen beflügeln ihre Gedanken und ihre Feder.
Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
Pioniere der Hoffnung
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