Unverpackt kommt an

Die Studie zum neuen Trend

Ein Großteil der Konsumenten möchte beim Einkauf Verpackungsmüll reduzieren und kann sich vorstellen, auf Tüten, Folien und Kartons weitgehend zu verzichten. Damit stehen Logistik, Marketing und Handel vor großen Herausforderungen.
 
Die durchsichtigen Spender ermöglichen, die Qualität vor dem Kauf zu beurteilen. Nach dem Kauf werden Einwegverpackungen und insbesondere Plastik vermieden. © unverpackt lose nachhaltig gut | www.unverpackt-kiel.de/über-uns/
Das kommt nicht in die Tüte! Für einige Lebensmittelgeschäfte in deutschen Großstädten wie Kiel, Bonn oder Berlin ist diese Redensart zum Leitmotiv ihrer Arbeit geworden: „Unverpackt", „Freikost" oder „Original Unverpackt" heißen die Läden, die ihre Waren verpackungsfrei verkaufen. „Prerecycling" ist das Konzept der Geschäfte: Verpackungsmüll soll gar nicht erst produziert werden, sodass ein aufwändiges Recyceln nicht mehr notwendig ist. Diese Idee kommt an bei den Verbrauchern, wie die aktuelle Umfrage von Price, Waterhouse & Co. (PwC) „Verpackungsfreie Lebensmittel – Nische oder Trend?" zeigt: 82 Prozent der Kunden sind dazu bereit, beim Kauf von Lebensmitteln auf Einwegverpackungen zu verzichten. Die Mehrheit, 63 Prozent, wünscht sich ein entsprechendes Angebot in den herkömmlichen Supermärkten und 35 Prozent der Käufer würden ein Geschäft bevorzugen, das ausschließlich verpackungsfreie Lebensmittel anbietet. Lediglich 18 Prozent der Studienteilnehmer können sich nicht vorstellen, auf Verpackungen zu verzichten. Für die repräsentative Verbraucherbefragung von PwC wurden 1.000 Bundesbürger über 18 Jahren im Dezember 2014 befragt.
 
Das wichtigste Motiv: Umweltschutz
Für die Verbraucher ist der verpackungsfreie Einkauf mit Mehraufwand verbunden: Sie bringen sich ihre Behältnisse selbst mit, wiegen sie aus und füllen sich anschließend die Waren ab, die dann erneut gewogen werden. Zugunsten des Umweltschutzes sind die Verbraucher aber dazu bereit. Das Argument „Damit wird Verpackungsmüll reduziert und die Umwelt geschont" ist für die Konsumenten das Entscheidende, wie 64 Prozent in der Befragung bestätigten. Zwar ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Verpackungen jährlich um durchschnittlich zwei bis drei Prozent gestiegen, vor allem bedingt durch die Zunahme an Single-Haushalten und Convenience-Produkten. Doch zugleich ist auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit gewachsen, ein Trend, den Handel und Verpackungsindustrie ernst nehmen müssen und der nicht mehr nur eine kleine, ökologisch orientierte Bevölkerungsgruppe betrifft. Voraussichtlich weiter dazu beitragen wird eine neue Richtlinie des EU-Parlaments, verabschiedet am 28. April 2015, nach der Kunststoffmüll innerhalb der Europäischen Union erheblich reduziert werden soll. Derzeit werden weltweit knapp 300 Millionen Tonnen Kunststoff pro Jahr produziert, davon 57 Millionen Tonnen in Europa.
Verbraucher wollen vor allem Verpackungsmüll sparen und nur benötigte Mengen einkaufen (Frage 1: 'In einigen deutschen Städten haben Supermärkte eröffnet, in denen Lebensmittel ohne jegliche Verpackung angeboten werden. Kunden bringen zum Einkauf ihre eigenen Behälter mit, in die die Lebensmittel dann abgefüllt werden. Welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie zu, wenn es um den Verzicht auf Verpackungen bei Lebensmitteln geht?') © PWC Weitere Vorteile: Bessere Dosierung, mehr Transparenz
Doch der Umweltschutz ist nur ein Aspekt. An zweiter Stelle nannten die Käufer den Vorteil, dass die Waren sich auf diese Weise besser dosieren lassen (54 Prozent). Ebenfalls wichtig ist für sie, wie 47 Prozent angaben, dass sich so beim Kauf Transparenz herstellen lässt und die Kunden nicht durch „Mogelpackungen" getäuscht werden können.
 
Doch die Verbraucher sehen auch die Nachteile des verpackungsfreien Einkaufs: 41 Prozent gaben in der Studie an, dass ihnen ohne Umverpackung wichtige Informationen zum Produkt wie Inhaltsstoffe oder Angaben zur Haltbarkeit fehlen. Rund ein Drittel findet, dass sich verpackte Lebensmittel besser lagern lassen und eine etwa gleich große Gruppe hält es für unpraktisch, beim Einkauf die eigenen Gefäße mitbringen zu müssen.
 
Auf die Art der Waren kommt es an
Rund 70 Prozent würden auch Trockenprodukte wie Reis, Mehl und Teigwaren verpackungsfrei kaufen (Frage 2: 'Welche der folgenden Lebensmittel würden Sie verpackungsfrei kaufen und dafür Ihre eigenen Behälter mitbringen?') © PWCEntscheidend für die Bereitschaft der Verbraucher zum Verzicht auf Einwegverpackungen ist vor allem die Art der Waren. Bei Obst und Gemüse etwa haben die Konsumenten keinerlei Bedenken: 71 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie die Waren immer unverpackt kaufen würden, wie sie es auch durch die herkömmlichen Supermärkte bereits gewohnt sind. Ähnliches gilt für Backwaren wie Brot, Kuchen und Brötchen, die 62 Prozent immer verpackungsfrei kaufen würden. Selbst bei Trockenprodukten wie Reis, Linsen, Nüssen oder Nudeln und ähnlichen Teigwaren ist die Bereitschaft mit 37 Prozent noch recht hoch ausgeprägt. Bedenken haben die Verbraucher dagegen bei Molkereiprodukten wie Milch, Butter, Joghurt und Käse oder bei flüssigen Lebensmitteln wie Öl, Essig, Säften und Ähnliches. Hier wären lediglich 15 beziehungsweise 14 Prozent zum Selbstabfüllen der Lebensmittel bereit. 

Der Preis entscheidet
Waren, die verpackungsfrei angeboten werden, können meist nicht auf Standardwegen produziert, abgefüllt, transportiert und gelagert werden. Oftmals legen die verpackungsfreien Supermärkte auch Wert auf Waren aus der Region, von kleinen Erzeugern häufig in Bio-Qualität produziert. Entsprechend sind die Produkte ohne Umverpackungen vielfach teurer als Waren aus dem Supermarkt oder Discounter. Sind die Verbraucher bereit, aus Gründen des Umweltschutzes diesen höheren Preis zu bezahlen? Immerhin ein Drittel der Studienteilnehmer kann sich vorstellen, einen Aufschlag zu bezahlen – die meisten in einer Größenordnung von bis zu fünf Prozent; zwei Drittel wären dazu nicht bereit. Längere Anfahrtswege zu einem verpackungsfreien Supermarkt würden 52 Prozent der Befragten in Kauf nehmen, die Mehrheit würde ein bis zwei Kilometer weiter fahren.
 
Chancen für den Handel und die Verpackungsindustrie
Die Zahlen der PwC-Umfrage bestätigen, dass die Bereitschaft der Verbraucher zum verpackungsfreien Einkauf da ist – und dass es sich um mehr als ein Nischenthema handelt. Für den Handel und die Verpackungsindustrie wird es nach Einschätzung von PwC wichtig sein, die Entwicklung in den kommenden Jahren aufmerksam zu verfolgen. Die Offenheit der Konsumenten kann die Branche sehr gut nutzen: Supermärkte können beispielsweise einzelne Bereiche schaffen, in denen Waren verpackungsfrei angeboten werden – wie es bereits jetzt Sortimente mit Bio-Produkten gibt. Für die Verpackungsindustrie werden künftig die Themen recycelbare Verpackungsmaterialien auf der Basis nachwachsender Rohstoffe, zum Beispiel Biokunststoffe, und der sparsamere Einsatz von Verpackungsmaterialien allgemein wichtig werden. Hier entwickelt die Verpackungsindustrie bereits innovative nachhaltige Ansätze, die teilweise in Kooperation mit dem Handel umgesetzt werden. 
 
Weitere Informationen:
 
Gerd Bovensiepen
ist bei PwC Leiter des Geschäftsbereichs Handel und Konsumgüter Deutschland und Europa sowie gefragter Referent bei Kongressen und Konferenzen des Handels.
 
Anne Pattberg
ist im Bereich Sustainability Services für „Handel und Konsumgüter" bei PwC tätig, und leitet dort Projekte zur Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien. Als Gastlektorin zum Thema Nachhaltigkeit integriert sie ihre Arbeit in Hochschulprogramme.

Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.
     
        
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