Mein Öko-Ego: Öko-Grüße ans Finanzamt
Darf man im Geschäftsverkehr benutzte Briefumschläge verwenden?
Mitte der 80er Jahre arbeitete ich als
Azubine in einem Steuerbüro: ein kleiner
Laden, nicht mehr als zehn Mitarbeiter, von daher alles sehr übersichtlich
und von den Abläufen her gut zu organisieren. Damals wurde ich angehalten,
Briefe, die an das Finanzamt oder an
ähnliche Einrichtungen gingen, immer in
bereits gebrauchte Versandtaschen ein
zukuvertieren; ein neuer Adresskleber
drauf und fertig war die »Ämterpost«.
Kunden, sorry Mandanten, bekamen
freilich jeder für sich ein hübsches, unbenutztes Kuvert.
Mir schien die damalige Praxis leicht
spießig und ziemlich geizig. Ich selbst
wäre – trotz meiner schwäbischen Herkunft – nicht auf die Idee gekommen,
solche Secondhand-Umschläge an das
Finanzamt zurückzusenden – immerhin
war es ein Amt, und Amts- und Würdenträger sollte man, so hatte meine Kinderstube mich gelehrt, würdig behandeln. Und so ein gebrauchter Umschlag
schien mir nicht wirklich eine würdige
Post zu sein.
Nun, aus heutiger Sicht, mit all dem
Wissen um Ressourcenknappheit und
Recycling, stellt sich die Angelegenheit
in einem anderen Licht dar. Aber wäre
es möglich, mit gebrauchten Couverts
einen guten Eindruck bei meinem Kunden oder Mandanten zu hinterlassen?
Sind wir in der Firmenpost schon so weit,
solche Wiederverwertungsmaßnahmen
ohne vorheriges Einstampfen und Recyclen zu praktizieren?
Ein Jahr ist es her, da war ich mitbeteiligt
an einer von Marketing-Experten angeleierten CI-Entwicklung. »Wie üblich«
kostete das ganze Prozedere Tausende von Euro und Hundertausende von Nerven, bis zuletzt ein ganz ordentliches Logo bzw. ein Namensschriftzug dabei herauskam. Mehr aber auch nicht. Nichts Überraschendes, nichts, was wirklich ins Auge spränge – und was irgendwie einen neuen Stil zu setzen in
der Lage wäre. Aber die Beratungsprofis
bestanden darauf, dass »üblicherweise« so eine CI das absolut Wichtigste ist, was man haben muss, um überhaupt »professionell« in der Geschäftswelt mitspielen zu dürfen. Nun denke ich 30 Jahre zurück, damals war es ziemlich schnurzegal, was für ein Logo man hatte; wichtig war, dass man gute Arbeit ablieferte.
Aus dieser PR-Erfahrung dürfte es mehr als gewagt sein, allein nur die Frage aufzuwerfen, ob man benutzte Briefumschläge an seine bestehenden Kunden und – nicht auszudenken – potenziellen Neukunden versenden darf. Welcher Eindruck angesichts der üblichen CI-Hysterie entstehen würde, ist doch wohl klar: »Unprofessionell«; »ist zu geizig, sich für mich ein neues Kuvert zu leisten«; »hat kein Geld, sich ordentliches Briefpapier machen zu lassen«; oder schlimmer noch: »Der ist ihr Erscheinungsbild egal.«
Der Öko-Gedanke, dass hier jemand an die Umwelt denkt und die Ressourcen schont, kommt gar nicht erst auf. Den müsste man wohl per Stempel auf den Briefumschlag drucken
oder handschriftlich vermerken. Vielleicht wäre es noch zu tolerieren, wenn man mit schönen Klebebändern das Aufklebeadressfeld umrahmte und somit dem alten Umschlag ein kultiges »Handmade-Design« verpasste. Aber geht das bei so hochoffiziellen Vorgängen, wie Angebote versenden oder Schreiben an wichtige Kunden in der Business-Welt expedieren?
Nein, ich muss es leider sagen, das kann man in der heutigen Zeit, bei all dem Getue um Aussehen und Pipapo nicht mehr machen – für mein Öko-Ego bleibt am Ende doch nur die alte Variante: gebrauchte Umschläge – bitte mit neuem Adressfeld – an Ämter und sonstige Einrichtungen, bei denen man halt nicht einen »guten Eindruck« hinterlassen oder eine tolle »Präsentation« hinlegen muss; da, wo man schlichtweg gezwungen ist, mit ihnen zu verkehren. Bei allen andern, bei denen wohl oder übel das »Ich zeige, wie toll ich bin«-Spiel gespielt werden muss, lieber doch die unbenutzten Kuverts nehmen. Immerhin aber wäre ein Anfang damit gemacht, die amtliche Post trotzdem ein bisschen aufzuhübschen – und warum nicht mit einem netten Klebeband? //
Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.04.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2015 - Nachhaltige Mode erschienen.
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