Aus der Natur! In die Natur?
Licht und Schatten nachwachsender Rohstoffe
Kunststoff weist als Werkstoff viele positive Eigenschaften auf, etwa ein
geringes Gewicht, ein breites Einsatzspektrum und geringe Herstellungskosten.
Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe können petrochemische
Kunststoffe ersetzen, deren Herstellung mit der Verknappung von Erdöl und –gas
zunehmend teurer wird. Im Schwerpunkt Kunststoff zeigt forum Licht und Schatten
der Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen, stellt interessante Initiativen
vor und beleuchtet die
Problematik der Kunststoffabfälle im Meer.
Kunststoffe gehören zum Alltag: Von der Zahnbürste und dem Deoroller morgens im
Bad, der Verpackung von Käse und Wurst in der Küche, dem Armaturenbrett im Auto
bis hin zum Telefon und Computer im Büro. Jeder Bundesbürger verbraucht
durchschnittlich 117 Kilogramm Kunststoff im Jahr, ein Drittel davon geht allein
auf das Konto von Verpackungen wie Folien, Tragetaschen und Becher. Doch Erdöl
und Erdgas für konventionelle Kunststoffe sind endliche Ressourcen, deren
Gewinnung zunehmend schwieriger und teurer wird. Kunststoffe aus nachwachsenden
Rohstoffen wie Stärke, Cellulose und Lignin, Zucker oder pflanzlichem Öl sind
eine Alternative. Mittlerweile stehen verschiedene biobasierte Kunststoffe, hier
auch Biokunststoffe genannt, zur Verfügung, die in vielen Bereichen die fossilen
Pendants ersetzen können, doch auch hier stellt sich die Frage der
Nachhaltigkeit und der Ressourceneffizienz. Wie bei den fossil basierten
Kunststoffen liegt das Augenmerk auf der gesamten Wertschöpfungskette: von der
nachhaltigen Rohstoffbereitstellung z.B. aus Land- und Forstwirtschaft, einer
Nutzung von Rest- oder auch Abfallstoffen, einer Kaskadennutzung, über die
effiziente und ressourcenschonende Herstellung und Verarbeitung der biobasierten
Polymere bis hin zum Endprodukt und der Frage, was nach dem Produktlebensende
damit passiert.
Biologisch abbaubar, ja aber …
Viele Menschen verbinden mit dem Begriff Biokunststoff sowohl den Rohstoff aus
der Natur als auch den unbedenklichen Abbau eben dort, den biologischen Abbau.
Doch sieht die Realität anders aus. Die biologische Abbaubarkeit ist eine
Eigenschaft, die nur besagt, dass sich ein Stoff durch Mikroorganismen in
Anwesenheit von Luftsauerstoff (aerobe Bedingungen) zu Kohlendioxid, Wasser,
Biomasse und Mineralien sowie unter Luftabschluss (anaerobe Bedingungen) zu
Kohlendioxid, Methan, Biomasse und Mineralien zersetzt. Ein fester Zeitraum ist
dafür nicht angegeben. Was vielerorts mit „biologisch abbaubar" oder
„bioabbaubar" gemeint und von Herstellern beworben wird, ist aber meist die
industrielle Kompostierbarkeit, die als Entsorgungsoption von der privaten
Kompostierung im Garten recht deutlich abweicht.
Auch für Bio gilt: Recycling ist der bessere Weg
Die ersten modernen biobasierten Kunststoffe, die Ende der 80er-Jahre auf den
Markt kamen, waren in der Regel biologisch abbaubar. Damit konnten die Produkte
im Rahmen einer industriellen Kompostierung entsorgt werden. Diese Option wurde
von den Herstellern als großer Vorteil im Vergleich zu den üblichen Kunststoffen
beworben. Inzwischen ist die Entwicklung weiter vorangeschritten, es gibt
zunehmend langlebige Biokunststoffe mit hervorragenden technischen Eigenschaften
auf dem Markt, die nach Gebrauchsende recycelt bzw. energetisch genutzt werden
und damit für effizientere Stoffkreisläufe sorgen. Die Kompostierbarkeit ist
daher in Deutschland nur noch für wenige spezielle Produkte wie z.B.
medizinisches Material, Agrarfolien oder Pflanzbänder, die im Boden verrotten,
oder Bioabfalltüten, die zusammen mit dem Bioabfall kompostiert werden können,
eine Entsorgungsoption und erbringt hier einen Mehrwert.
Die Prioritäten, wie mit Abfällen umgegangen werden soll, sind sowohl auf
EU-Ebene als auch im deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz inhaltlich verankert:
An erster Stelle steht die mögliche Vermeidung von Abfällen, z.B. durch weniger
Materialverbrauch bei der Verpackung. Dann folgt die Wiederverwendung, Beispiele
dafür sind das Mehrwegpfandsystem für Flaschen oder klassisch auch die Nutzung
von Geräten oder Gegenständen aus zweiter Hand. An dritter Stelle steht das
Recycling (aus dem Englischen für „Wiederverwertung" oder „Wiederaufbereitung"),
bei dem man aus nicht mehr benötigten Produkten einen Sekundärrohstoff
herstellt. Erst wenn diese Maßnahmen weitgehend ausgeschöpft sind, sollten
sonstige Verwertungsmaßnahmen wie z.B. eine energetische Verwertung oder als
letzte Option eine Beseitigung in Betracht gezogen werden.
Deutschland hat beim Recycling die Zielvorgaben der EU – bis zum Jahr 2020
mindestens 50 Prozent der anfallenden Kunststoffabfälle zu recyclen – bereits
überschritten und rangiert auf den vordersten Plätzen. Die Recyclingquote liegt
hierzulande schon jetzt bei mehr als 62 Prozent und das Deponierungsverbot ist
weitestgehend umgesetzt. Auch wenn der Marktanteil von Biokunststoffen noch
relativ gering ist, sind auch hier geschlossene Kreisläufe z.B. durch Recycling
anzustreben. Es sollte immer im Vordergrund stehen, dass der gespeicherte
biobasierte Kohlenstoff oder, wo dies nicht möglich ist, zumindest die
enthaltene Energie in technischen Kreisläufen genutzt werden.
Einen ersten Vorteil haben diejenigen Biokunststoffe, deren chemische Struktur
mit denen herkömmlicher fossil basierter Kunststoffe identisch ist, und die sich
nahtlos in bestehende Systeme, von der Verarbeitung bis zum Recycling, einfügen.
Für neuartige biobasierte Kunststoffe wie z.B. Polylactid (PLA) und
Stärkeblends, deren chemische Struktur sich von der konventioneller Kunststoffe
unterscheidet, müssen eigene Sortier- und Recyclingsysteme aufgebaut werden.
Nach derzeitigem Stand sind moderne Sortieranlagen grundsätzlich in der Lage,
diese neuartigen Biokunststoffe zu sortieren. Dafür erforderlich ist allerdings
eine Nach- bzw. Umrüstung der Sortiermaschinen auf diese zusätzlichen
Fraktionen, die aber erst ab einer gewissen Mindestmenge an auszusortierendem
Material im gesamten Massestrom wirtschaftlich sinnvoll ist.
Was heißt das für den Verbraucher?
Biokunststoffe sind trotz ihres biobasierten Anteils wie konventionelle
Kunststoffe zu behandeln: Verpackungen kommen in die Gelbe Tonne oder den Gelben
Sack der dualen Systeme, die Mehrwegflasche aus Bio-PET in das
Mehrwegpfandsystem, Elektrogeräte und Altautos in die entsprechenden
Rücknahmesysteme und nur die als kompostierbar gekennzeichneten Produkte wie
z.B. der Bioabfallbeutel oder auch die Kaffeekapseln dürfen in die Biotonne – um
nur einige Beispiele zu nennen. Nur so kann der Vorteil des biogenen Ursprungs
bei Biokunststoffen wirklich nachhaltig, weil ressourceneffizient, genutzt
werden. Und gelangen die Biokunststoffabfälle letztendlich in die energetische
Verwertung (Verbrennung), ist die Energie, die bei der Verbrennung durch den
biobasierten Anteil im Produkt entsteht, als weitgehend CO2-neutral einzustufen.
Damit ermöglichen Biokunststoffe eine intelligente Ressourcennutzung und sorgen
für eine hohe Wertschöpfung in einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.
Information ist das A und O
Viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Deutschland und weltweit
arbeiten intensiv daran, den Einsatz von biobasierten Kunststoffen
voranzubringen und die Wertschöpfungskette im Sinne der Nachhaltigkeit und
Ressourceneffizienz zu optimieren. Das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft (BMEL) und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) als
Projektträger unterstützen u.a. mit dem Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe"
den unter Nachhaltigkeitsaspekten sinnvollen Einsatz von biobasierten
Kunststoffen: Neben Forschungsprojekten zur Entwicklung neuer Verfahren und
Produkte werden insbesondere der Informationstransfer aus der Wissenschaft in
die Praxis gefördert und Akteure informiert. Dafür wurde von BMEL und FNR u.a.
auch das Biopolymernetzwerk 2011 ins Leben gerufen. Mit Blick auf aktuelle
Themen und Probleme beim Einsatz von biobasierten Werkstoffen und deren
Anwendungen spricht das Netzwerk verschiedenste Akteure an, initiiert
Diskussionsprozesse und erarbeitet notwendiges Hintergrundwissen. Das
Biopolymernetzwerk ist eine offene Informations- und Kommunikationsplattform für
Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit im Bereich der
biobasierten Werkstoffe und ihren Anwendungen. Es versteht sich als Forum für
eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung mit sämtlichen Abschnitten
der Prozesskette sowie übergeordneten ökonomischen, ökologischen und sozialen
Fragestellungen.
Die Kompostierung von Kunststoffen
Kunststoffprodukte, die einer industriellen Kompostierung zugeführt werden
sollen, müssen zertifiziert werden. Auf europäischer Ebene gehören DIN CERTCO
(Deutschland) und Vinçotte (Belgien) zu den unabhängigen
Zertifizierungsgesellschaften. Ein Werkstoff, der ein Kompostierlogo trägt, muss
sich innerhalb von sechs bis zwölf Wochen in der industriellen Kompostieranlage
vollständig abbauen. Eine Kompostierbarkeit in einer industriellen Anlage
bedeutet nicht automatisch, dass sich das Produkt auch im Gartenkompost
biologisch abbaut. Für die Entsorgung im Gartenkompost eignen sich nur
Kunststoffprodukte, die sich nachweislich bei weniger als 30 Grad Celsius
innerhalb eines Jahres fast vollständig biologisch abbauen Es lohnt sich also
der genaue Blick auf die Verpackung oder das Produkt!
Der Biokunststoffmarkt
Biokunststoffe nehmen weniger als 2 Prozent am Markt ein, doch ihr Anteil steigt
stetig. Im Juni 2015 wurde eine Studie für Biokunststoffe veröffentlicht. Die
zugrunde liegenden Analysen wurden vom Verband European Bioplastics, dem
Institut für Biokunststoffe und Biowerkstoffe der Hochschule Hannover (IfBB) und
dem nova-Institut zusammengestellt. Wurde 2010 die weltweite
Produktionskapazität von 1 Mio. Tonnen erstmalig überschritten, wird für 2018
ein Anstieg auf mehr als 6,7 Mio. Tonnen prognostiziert. Auch die Zusammensetzung des Marktes ändert sich. Hielten sich bis 2012 die Anteile an
biologisch abbaubaren und an dauerhaften Biokunststoffen noch in etwa die Waage,
wächst der Anteil dauerhafter Biokunststoffe wie z.B. Bio-PET oder Bio-PE
überproportional, während die Produktionskapazitäten für biologisch abbaubare
Polymere nur noch sehr geringe Wachstumsraten zeigen.
Weitere Informationen:
Katja Schneider
ist Referentin bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) und dort
verantwortlich für das Biopolymernetzwerk. Als Agraringenieurin arbeitete Sie
nach ihrem Studium im Kommunikationsbereich. Seit mehr als 8 Jahren ist sie
vorrangig im Netzwerkaufbau und -management aktiv ist, seit 2011 bei der FNR.
Umwelt | Umweltschutz, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.
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forum 01/2025 ist erschienen
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