Wenn Finanzmärkte Sozialleistungen finanzieren
No risk, no impact!
Social Impact Bonds erleben im Ausland eine steile Karriere. Was ist davon zu
halten, und kann dieser Ansatz auf Deutschland übertragen werden? Eine neue
Studie soll darüber Auskunft geben.
Die Integration von Flüchtlingen, die Qualifizierung von Kindern mit
Lernschwächen oder die Resozialisierung wiederholt straffällig gewordener
Jugendlicher sind Beispiele von immer neuen gesellschaftlichen
Herausforderungen, vor denen Staat und Gesellschaft stehen. In vielen Ländern
fehlen hierzu „staatliche Auffangnetze". Auch in Deutschland, einem der wenigen
verbliebenen Sozialstaaten in der Welt, tut man sich immer schwerer, hier die
passenden Lösungen zu finden. Zumal Kreativität und Innovation in diesem System
von jeher schwierig zu finanzieren sind. Hier könnte der Social Impact Bond
(kurz SIB) Abhilfe schaffen, denn er setzt auf die Dynamik des Marktes und
verknüpft den Profit der Anleger mit dem Erfolg von Sozialmaßnahmen.
Profit nur bei Leistung
Vereinfacht gesagt finanzieren SIB Sozialprojekte, und der staatliche Träger von
Sozialmaßnahmen zahlt das Anleihekapital erst dann an private Anleger und
Vorfinanzierer zurück, wenn ein bestimmter, vorher festgelegter Mindesterfolg
der Maßnahmen nachgewiesen wird. Wird das Ziel nicht erreicht, müssen die
Anleger mit Ertragseinbußen rechnen oder völlig auf eine Rendite verzichten und
verlieren im Extremfall sogar einen Teil des Anlagekapitals. Das Prinzip soll
die Effizienz von Sozialleistungen erhöhen und zu innovativen Leistungsangeboten
im Sozialbereich anregen.
Mittlerweile etabliert sich dieses Finanzierungsinstrument seit dem ersten
Social Impact Bond (SIB) im britischen Peterborough im Jahr 2010 in immer mehr
Ländern. Spitzenreiter ist mit weitem Abstand Großbritannien, gefolgt von den
USA. Verstärkt werden solche Anleihen auch in Schwellenländern wie Indien oder
Mexiko aufgelegt. Mittlerweile sind mehr als 38 SIBs weltweit im Einsatz. In
Deutschland wurde bislang ein einziger SIB aufgelegt, der Eleven Augsburg. Die
Fokusgruppe besteht hier aus benachteiligten, arbeitslosen Jugendlichen im
Übergangsbereich zwischen Ausbildungsförderung und Jugendhilfe, die tendenziell
nicht oder nicht mehr durch die Angebote der Bundesagentur für Arbeit bzw. der
Jobcenter oder der Jugendämter erreicht werden. Ziel ist es, 20 Jugendliche in
Ausbildung und Arbeit zu bringen und diese dort für mehr als neun Monate zu
halten. Initiiert und weitgehend umgesetzt wurde der SIB primär von der
Benckiser Zukunftsstiftung und finanziert von der Stiftung Herbert Quandt,
BHF-Bank-Stiftung, Eberhard von Kuehnheim Stiftung und der Bon Venture gGmbH.
Da detaillierte Angaben zu diesem Projekt nicht öffentlich zugänglich sind, soll
die Funktionsweise anhand eines SIB des Schweizer Kantons Bern vom Juni 2015
vorgestellt werden.
Asylbewerber schneller integrieren
Ziel in diesem Projekt ist die Verkürzung des Bezugszeitraums von Sozialhilfe
für Flüchtlinge durch eine Verbesserung der Integration – zum Beispiel durch
berufsqualifizierende Abschlüsse und die Aufnahme einer Berufstätigkeit.
Anleger, die diesen Social Impact Bond zeichnen, gewähren der Caritas in Bern,
die die Integrationsmaßnahme durchführt, ein Darlehen in Höhe von 2,7 Mio.
Schweizer Franken. Es wird nach fünf Jahren vom Kanton Bern an die Investoren
unter speziellen Bedingungen zurückgezahlt: Hat die Caritas ihre
Integrationsziele um mindestens 100 Prozent übertroffen, erhalten die Investoren
ihr eingesetztes Kreditkapital zurück und eine jährliche Verzinsung gestaffelt
von 0,25 bis zu einem Prozent. Zudem erhält die Caritas von der
Kantonalverwaltung eine Bonuszahlung von maximal 40.500 Schweizer Franken. Der
Kanton profitiert von niedrigeren Ausgaben für die Sozialhilfe und einem hohen
Engagement der Maßnahmenträger. Wird dagegen das Integrationsziel nicht
erreicht, muss die Caritas einen Malus in gleicher Betragshöhe an den Kanton
Bern zahlen und die Investoren verlieren bis zu 4,9 Prozent des Nominalwerts
ihrer Anleihe. Für den Kanton wird damit zwar seine aktuelle Ausgabe für die
Integrationsmaßnahme geringer, allerdings stehen dem in Zukunft wieder höhere
Kosten für die Sozialhilfe gegenüber. Das Berner Modell arbeitet mit einer
Zweckgesellschaft, die zwischen den Anlegern und der Caritas Bern steht und die
Anlagegelder verwaltet. Eine solche Konstruktion, wie sie verallgemeinert in der
Abbildung dargestellt ist, findet sich sehr häufig bei SIBs, es gibt aber auch
Formen ohne eine Zweckgesellschaft und mit direkter Durchleitung der
Anlagegelder an die ausführende Sozialorganisation.
Das Beispiel illustriert, dass Social Impact Bonds mit einer herkömmlichen
Anleihe wie beispielsweise einer Bundesobligation wenig gemeinsam haben. Es
handelt sich vielmehr um eine öffentlich-private Partnerschaft. Sie ist dadurch
gekennzeichnet, dass Zahlungen an die Kapitalgeber (Anleger) erst bei
Ergebnislieferung und Zielerreichung erfolgen. Hierfür haben sich die Begriffe
„Payment by Results" oder „Pay for Success"-Anlageformen herausgebildet. Es
handelt sich damit bei SIBs durchaus um sehr komplexe Vertragsgebilde mit vielen
darin eingebundenen Parteien, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen.
„No risk, no impact"
In einem aktuellen Forschungsbericht an der Universität Stuttgart wurde
herausgearbeitet, dass Chancen und Risiken von Social Impact Bonds hohe
Ähnlichkeiten mit Derivaten, vor allem Optionen, haben. Anhand von 14 in den USA
und Großbritannien eingeführten Social Impact Bonds konnten etliche „versteckte"
Eigenschaften von SIBs erkannt werden, die exotischen Derivaten, vor allem sog.
Digitaloptionen, ähneln. Bei solchen (hoch spekulativen) Optionen erzielt der
Anleger entweder einen bestimmten Anlageertrag oder verliert seinen
Kapitaleinsatz. Welcher Fall eintritt, hängt vom eingegangenen Risiko ab und das
wird bei herkömmlichen Digitaloptionen von den Schwankungen der Aktienkurse
bestimmt. Bei Social Impact Bonds kommen die Risiken jedoch nicht von
Aktienkursschwankungen, sondern entstehen aus den gegenseitigen
Verhaltensweisen der Vertragsparteien im SIB. Ein SIB ist nämlich vergleichbar
mit einem Netzwerk, bestehend aus der öffentlichen Hand, einzelnen
Sozialdienstleistern, Datenmanagern etc. Arbeiten diese nicht reibungslos
zusammen oder verfolgen sie unterschiedliche Interessen, kann die zu erzielende
Wirkung einer Sozialmaßnahme schnell gefährdet werden. Das wiederum stellt bei
Anlegern deren Rendite und Anlagekapital in Frage.
Insgesamt sind solche Anlagen nur etwas für professionelle Anleger, die sich
zudem ein „Quäntchen Verlust" leisten können, wenn die Risiken überhand nehmen.
Damit kommen nur ganz spezielle kapitalstarke Anlegerkreise wie vermögende
Großanleger in Frage. Die Analysen zeigen auch, dass man dem Phänomen Social
Impact Bond aus Anlegersicht noch genauer auf die Spur kommen muss, um seine
wahre Gestalt als Anlageform offenzulegen und letztendlich auch seinen wahren
wirtschaftlichen Wert zu ermitteln – denn auf einer Börse werden solche Anlagen
bisher nicht gehandelt.
Die Eberhard von Kuenheim Stiftung
wurde von der BMW AG zu Ehren ihres früheren Aufsichtsratsvorsitzenden gegründet
und begeht im Oktober ihr fünfzehnjähriges Jubiläum. Gemeinsam mit der
Schwesterstiftung, der BMW Stiftung Herbert Quandt, entstand das Projekt
Sinnvestition. Das Ziel: Mit der Anlage des Stiftungsvermögens auch eine soziale
und/oder ökologische Wirkung erzielen (Impact Investing). Dafür mussten die
entsprechenden Strukturen und Rahmenbedingungen (Anlagerichtlinien, Klärung der
rechtlichen Voraussetzung, etc.) erst geschaffen werden. Die gewonnenen
Erfahrungen werden unter dem Dach des Bundesverbands Deutscher Stiftungen im
Rahmen des „Expertenkreis Impact Investing" mit Interessierten geteilt. 2016
wird zudem ein Ratgeber zu diesem Thema erscheinen.Siehe dazu auch unser
Stiftungsportrait auf Seiten 104/105.
Hinweis:
Den vollständigen Forschungsbericht „Social Impact Bonds – Vertrags- und
Transaktionsstrukturen sowie eingebettete Optionen" finden Sie unter http://ssrn.com/abstract=2635400
Prof. Dr. Henry Schäfer
lehrt am Betriebswirtschaftlichen Institut, Abt. III (Allgemeine BWL und
Finanzwirtschaft) der Universität Stuttgart
Lifestyle | Geld & Investment, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.
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