Grenzkontrollen: Der Zutritt zum Laderaum ist tabu
Verschärfte Inspektionen belasten die Supply Chains. Der BME erklärt mögliche Szenarien und zeigt Lösungswege auf.
Die Flüchtlingsproblematik macht auch vor den Lieferketten nicht halt. Sollten die Grenzen nach Süd- und Osteuropa geschlossen werden, sind erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Güterverkehr zu erwarten. Aktuellen Mautstatistiken zufolge passieren jährlich mindestens 40 Millionen Transportfahrzeuge die Grenzen der Bundesrepublik. Die Aufkündigung des Schengener Abkommens würde Transportkosten in die Höhe treiben und Just-in-Time-Lieferungen massiv erschweren. Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) hat deshalb mögliche Szenarien durchgespielt und versucht, Lösungswege aufzuzeigen.
Bisher kommt es durch sporadische Kontrollen, zum Beispiel an der österreichischen Grenze, nur zu geringen Wartezeiten. Hier sind vor allem kleinere Lieferfahrzeuge betroffen; bei ihnen ist die Gefahr besonders hoch, dass sie als potenzielle Schleuserfahrzeuge genutzt werden. „Bislang aber haben Spediteure und Verlader die Auswirkungen im Griff. Die von uns geführten Gespräche zeigen: Kurze Verzögerungen verteuern zwar bereits den Transport, sind aber für die Supply Chains gut zu beherrschen", erklärte Gunnar Gburek, Leiter der BME-Sektion Logistik, am Freitag in Frankfurt. Zumal ohnehin gewisse Puffer für die Verkehrslage in die Transportzeit eingeplant würden.
Mit der Dauer der Verzögerungen steigen die Folgekosten aber exponentiell an. „Aus wenigen Stunden wird schnell ein halber Tag oder mehr. So kann es vorkommen, dass Anschlussverkehre verpasst werden", betonte Gburek. Hinzu komme, dass Lkw-Fahrer nach neun Stunden Lenkzeit gesetzlich dazu verpflichtet sind, Raststätten zur Einhaltung ihrer Ruhezeiten aufzusuchen. Auch das kostet wertvolle Zeit.
Beim Kombinierten Verkehr oder auch auf längeren Strecken, etwa in die Türkei, sind die Transporte mittlerweile streng durchgetaktet. Wird der Anschluss an zwischengeschaltete Verkehrsmittel verpasst, bleibt die Ware bis zur nächsten freien Kapazität stehen. Oder die Wartezeit verdoppelt sich, weil zum Beispiel Fähren verpasst oder der bereitstehende Fahrer, an den übergeben werden soll, auf das Fahrzeug warten muss. Das beschert den Spediteuren in jedem Fall sprunghaft steigende Kosten, die letztlich auf die Verlader und damit auf die Endkunden umgewälzt werden.
Weil drohende Mehrkosten nicht nur zeitlicher Natur sind, sondern auch mit dem Handling der Kontrollen zusammenhängen, ist das wahre Ausmaß der logistischen Beeinträchtigungen nach heutigem Stand nicht absehbar. Gburek: „Unsicher ist beispielsweise, ob die Kontrollen in beide Richtungen erfolgen, aber auch, in welcher Art und Weise die ‚grüne Grenze‘ mit einbezogen wird." Dabei geht es um Nebenstrecken, an denen es innerhalb der EU eigentlich keine Grenzanlagen mehr gibt. Aber auch auf den Autobahnen mangele es angesichts des heutigen Verkehrsaufkommens an ausreichender Infrastruktur. Gburek: „Schauen Sie sich doch die Situation an den Mautstationen in Frankreich an: Obwohl es dort unzählige Spuren gibt und die eigentliche Abwicklung recht schnell vorüber ist, kommt es dort immer wieder zu langen Staus."
Besonders wichtig für den Güterverkehr wird die Beantwortung der Frage sein, wie etwaige Kontrollen durchgeführt werden. „Es muss ganz klar zwischen Waren- und Personenkontrollen getrennt werden", fordert der BME-Logistik-Experte. Im Regelfall sollte seiner Meinung nach für Kontrolleure der Zutritt zum Laderaum tabu sein. Aus Zeitgründen dürfe es nur bei einem konkreten Verdacht zu einer genaueren Untersuchung kommen. Sofern die Ladung am Ursprungsort durch zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (sog. Authorised Economic Operator, kurz AEO) verladen und im weiteren Verlauf zuverlässig vor Zugriffen geschützt wurde, sollte ein schneller Blick in die Kabine und in die Papiere des Fahrers ausreichen. Den AEO-Status erwerben können in der Europäischen Union ansässige und am Zollgeschehen beteiligte Unternehmen (zum Beispiel Spediteure), die sich durch eine gesicherte Ladeumgebung und befähigtes Personal als besonders vertrauenswürdig erweisen. Der Laderaum wird am Ursprungsort verplombt und kann so bis zum Zielort nicht unkontrolliert geöffnet werden.
Muss die vom AEO angebrachte Plombe am Grenzübergang gelöst werden, besteht nicht nur ein zusätzliches Sicherheitsproblem. Es kommt auch zu einem weiteren Kostenanstieg. „Im Durchgangsverkehr müsste das Siegel unter Umständen sogar mehrfach geöffnet werden. Fraglich ist, wie die Versicherungen dann damit umgehen", gibt Gburek zu bedenken. Außerdem sieht er das Problem, dass die Ware wegen heutiger Verladeprinzipien unter Umständen gar nicht zugänglich ist. Wenn zum Beispiel mehrere Container auf der Ladefläche Tür an Tür aufgereiht sind, bleibt der Zugang physisch versperrt. Um damit effizient umgehen zu können, seien Umladungen erforderlich, oder es müssten aufwendige und damit auch kostenintensive Verfahren wie etwa Röntgentechnik oder Wärmebildkameras eingesetzt werden.
Fazit des BME: Transportverzögerungen aufgrund stärkerer Kontrollen werden sich nicht vermeiden lassen. Sie sind nach heutigem Stand zudem nicht kalkulierbar. „Wenn es zu einschneidenden Maßnahmen durch die Sicherheitsbehörden kommt, werden die Lieferketten ordentlich durchgeschüttelt", befürchtet Gburek. Langfristig, so ist er sich jedoch sicher, wird sich alles einpendeln, wenn auch zu deutlich ansteigenden Kosten. „Standortfragen spielen dann eine größere Rolle, Business-Modelle wie Just in Time werden hinterfragt und Lieferketten hinsichtlich der Transportwege komplett neu aufgestellt."
Bisher kommt es durch sporadische Kontrollen, zum Beispiel an der österreichischen Grenze, nur zu geringen Wartezeiten. Hier sind vor allem kleinere Lieferfahrzeuge betroffen; bei ihnen ist die Gefahr besonders hoch, dass sie als potenzielle Schleuserfahrzeuge genutzt werden. „Bislang aber haben Spediteure und Verlader die Auswirkungen im Griff. Die von uns geführten Gespräche zeigen: Kurze Verzögerungen verteuern zwar bereits den Transport, sind aber für die Supply Chains gut zu beherrschen", erklärte Gunnar Gburek, Leiter der BME-Sektion Logistik, am Freitag in Frankfurt. Zumal ohnehin gewisse Puffer für die Verkehrslage in die Transportzeit eingeplant würden.
Mit der Dauer der Verzögerungen steigen die Folgekosten aber exponentiell an. „Aus wenigen Stunden wird schnell ein halber Tag oder mehr. So kann es vorkommen, dass Anschlussverkehre verpasst werden", betonte Gburek. Hinzu komme, dass Lkw-Fahrer nach neun Stunden Lenkzeit gesetzlich dazu verpflichtet sind, Raststätten zur Einhaltung ihrer Ruhezeiten aufzusuchen. Auch das kostet wertvolle Zeit.
Beim Kombinierten Verkehr oder auch auf längeren Strecken, etwa in die Türkei, sind die Transporte mittlerweile streng durchgetaktet. Wird der Anschluss an zwischengeschaltete Verkehrsmittel verpasst, bleibt die Ware bis zur nächsten freien Kapazität stehen. Oder die Wartezeit verdoppelt sich, weil zum Beispiel Fähren verpasst oder der bereitstehende Fahrer, an den übergeben werden soll, auf das Fahrzeug warten muss. Das beschert den Spediteuren in jedem Fall sprunghaft steigende Kosten, die letztlich auf die Verlader und damit auf die Endkunden umgewälzt werden.
Weil drohende Mehrkosten nicht nur zeitlicher Natur sind, sondern auch mit dem Handling der Kontrollen zusammenhängen, ist das wahre Ausmaß der logistischen Beeinträchtigungen nach heutigem Stand nicht absehbar. Gburek: „Unsicher ist beispielsweise, ob die Kontrollen in beide Richtungen erfolgen, aber auch, in welcher Art und Weise die ‚grüne Grenze‘ mit einbezogen wird." Dabei geht es um Nebenstrecken, an denen es innerhalb der EU eigentlich keine Grenzanlagen mehr gibt. Aber auch auf den Autobahnen mangele es angesichts des heutigen Verkehrsaufkommens an ausreichender Infrastruktur. Gburek: „Schauen Sie sich doch die Situation an den Mautstationen in Frankreich an: Obwohl es dort unzählige Spuren gibt und die eigentliche Abwicklung recht schnell vorüber ist, kommt es dort immer wieder zu langen Staus."
Besonders wichtig für den Güterverkehr wird die Beantwortung der Frage sein, wie etwaige Kontrollen durchgeführt werden. „Es muss ganz klar zwischen Waren- und Personenkontrollen getrennt werden", fordert der BME-Logistik-Experte. Im Regelfall sollte seiner Meinung nach für Kontrolleure der Zutritt zum Laderaum tabu sein. Aus Zeitgründen dürfe es nur bei einem konkreten Verdacht zu einer genaueren Untersuchung kommen. Sofern die Ladung am Ursprungsort durch zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (sog. Authorised Economic Operator, kurz AEO) verladen und im weiteren Verlauf zuverlässig vor Zugriffen geschützt wurde, sollte ein schneller Blick in die Kabine und in die Papiere des Fahrers ausreichen. Den AEO-Status erwerben können in der Europäischen Union ansässige und am Zollgeschehen beteiligte Unternehmen (zum Beispiel Spediteure), die sich durch eine gesicherte Ladeumgebung und befähigtes Personal als besonders vertrauenswürdig erweisen. Der Laderaum wird am Ursprungsort verplombt und kann so bis zum Zielort nicht unkontrolliert geöffnet werden.
Muss die vom AEO angebrachte Plombe am Grenzübergang gelöst werden, besteht nicht nur ein zusätzliches Sicherheitsproblem. Es kommt auch zu einem weiteren Kostenanstieg. „Im Durchgangsverkehr müsste das Siegel unter Umständen sogar mehrfach geöffnet werden. Fraglich ist, wie die Versicherungen dann damit umgehen", gibt Gburek zu bedenken. Außerdem sieht er das Problem, dass die Ware wegen heutiger Verladeprinzipien unter Umständen gar nicht zugänglich ist. Wenn zum Beispiel mehrere Container auf der Ladefläche Tür an Tür aufgereiht sind, bleibt der Zugang physisch versperrt. Um damit effizient umgehen zu können, seien Umladungen erforderlich, oder es müssten aufwendige und damit auch kostenintensive Verfahren wie etwa Röntgentechnik oder Wärmebildkameras eingesetzt werden.
Fazit des BME: Transportverzögerungen aufgrund stärkerer Kontrollen werden sich nicht vermeiden lassen. Sie sind nach heutigem Stand zudem nicht kalkulierbar. „Wenn es zu einschneidenden Maßnahmen durch die Sicherheitsbehörden kommt, werden die Lieferketten ordentlich durchgeschüttelt", befürchtet Gburek. Langfristig, so ist er sich jedoch sicher, wird sich alles einpendeln, wenn auch zu deutlich ansteigenden Kosten. „Standortfragen spielen dann eine größere Rolle, Business-Modelle wie Just in Time werden hinterfragt und Lieferketten hinsichtlich der Transportwege komplett neu aufgestellt."
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 19.02.2016
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