BIOFACH 2025

Nuclear-Free Future Award 2016

Die Preisträger kommen aus Äthiopien, Frankreich, den Niederlanden, der Türkei und aus Südafrika

Der Nuclear-Free Future Award, der mit insgesamt 30.000 US-Dollar dotiert ist, ehrt seit 1998 Menschen auf der ganzen Welt, die sich für das Ende des Atomzeitalters engagieren und Wege aufzeigen, sowohl die militärische wie die sogenannte friedliche Nutzung der Kernenergie zu beenden.

Die Preisverleihung findet am 17. November 2016 in Johannesburg/Südafrika statt. Kooperationspartner ist Earthlife Africa Johannesburg.

Eine international besetzte Jury aus Aktivisten und Wissenschaftlern wählte in den drei Kategorien Widerstand, Aufklärung, Lösung (dotiert mit je 10.000 US-Dollar) die folgenden Preisträger:

Kategorie Widerstand:  Arif Ali Cangi, Türkei
Arif Ali Cangi, geboren 1964 in der Provinz Mersin, gehört zu den führenden Rechtsanwälten in der türkischen Anti-Atom-Bewegung. Er streitet gegen die illegale Deponierung von Atommüll in Gaziemir/Izmir, den Bau eines Atomkraftwerks in Akkuyu/Mersin sowie gegen den Uranbergbau in Köprübasi/Manisa und die Zerstörung der Lebensgrundlagen, den die Urangewinnung zur Folge hat. 2012 war Cangi einer der ersten Umweltaktivisten, die die illegale Atommülldeponierung in Gaziemir angeprangert haben, wo er mit verschiedenen Wissenschaftlern eine Kampagne startete, um die lokale Bevölkerung über radioaktive Belastung aufzuklären. Aktuell führt er eine – legale – Auseinandersetzung gegen den Bau des Atomkraftwerks Akkuyu an der Mittelmeerküste zwischen Ayd?nc?k und Silifke. Die ersten Pläne dazu gab es bereits in den frühen 1970er Jahren. Sie wurden aber verworfen. Die AKP-Regierung hat sie wieder aufgenommen und mit der russischen ROSATOM eine neue Vereinbarung getroffen, der zufolge noch in diesem Jahr mit dem Bau begonnen werden soll. Als Rechtsanwalt reichte Arif Ali Cangi Klage im Namen der Grünen und der Linken Zukunftspartei gegen den Bau ein, weil vorgeschriebene Sicherheitstests fehlerhaft seien. Als Aktivist wehrt er sich, weil seine Familie in der Nähe des geplanten Atommeilers lebt. Gleichzeitig verfasste er eine Beschwerde gegen die still gelegte Uranmine in Köprübasi. In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde dort Uran abgebaut, wie in anderen Regionen der Türkei auch. Die Mine wurde inzwischen aufgegeben, aber nicht gesichert. Die örtliche Bevölkerung wurde niemals darüber aufgeklärt, welchen Gefahren sie ausgesetzt ist. Arif Ali Cangi hat sich des Falls angenommen.
 
Kategorie Aufklärung: Bruno Chareyron, Frankreich
Dr. Bruno Chareyron ist seit 1993 Direktor des nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl gegründeten
Instituts für unabhängige Strahlenuntersuchungen (CRIIRAD) in Valence, der Hauptstadt der französischen Auverne-Rhone-Alpen-Region. Der Atomphysiker machte es sich zur Lebensaufgabe, die Menschen über die Gefahren radioaktiver Strahlung aufzuklären und davor zu schützen. In seiner Funktion als CRIIRAD-Direktor brachte er mit seinen Untersuchungen nicht nur die radioaktive Belastung ans Licht, die von der Wiederaufbereitungsanlage im nordfranzösischen La Hague ausgeht. Er verstand es auch als seine Aufgabe nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima, die dortige Bevölkerung zu schützen. Gemeinsam mit dem japanischen Nuklear-Spezialisten Wataru Iwata gründete er eine Messstation, in der die Menschen ihre Strahlenbelastung messen lassen können. Zu seinen Spezialgebieten gehört der Uranbergbau. In Frankreich untersuchte er Abraumhalden der inzwischen stillgelegten 210 Uranbergwerke und fand heraus, dass die strahlende Hinterlassenschaft in Häusern, als Untergrund auf Parkplätzen und sogar auf Spielplätzen verbaut wurde. In Afrika fand er in Flüssen in der Nähe der Abraumhalden so starke Belastungen, dass deren Sedimente als Atommüll eingestuft werden müssten. In Niger, einem Land, in dem mit AREVA ein französisches Staatsunternehmen für die Strahlenbelastung von Mensch und Natur verantwortlich ist, versorgt er die lokale Umweltschutzgruppe „Aghirin Man" („Schutz der Seele") mit Technik und Wissen, da in den Minenstädten Arlit und  Azelik immer wieder Menschen an rätselhaften Krankheiten sterben.


Kategorie Lösung: Samson Tsegaye, Äthiopien
Samson Tsegaye, Geschäftsführer der Stiftung Solarenergie in Äthiopien, hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, arme Menschen in ländlichen Regionen Äthiopiens mit Strom und Licht zu versorgen. Was das bedeutet, verdeutlichen wenige Zahlen: von den rund 100 Millionen Einwohnern Äthiopiens müssen 80 Millionen ohne zuverlässige Stromversorgung auskommen. Ohne personelle Hilfe und institutionelle Unterstützung machte sich Samson Tsegaye bereits zu Beginn des Jahrtausends daran, die ländliche Bevölkerung über Solarenergie zu informieren und die notwendigen Materialien zu beschaffen. Die Ergebnisse sprechen für sich: Seit er im Jahr 2006 die „Stiftung Solarenergie Äthiopien" gegründet hat, hat er dafür gesorgt, dass 30.000 Solarlicht-Systeme installiert und 157 Schulen mit Solarlichtern ausgestatten wurden sowie vier Solar-Dörfer entstanden sind. Um das zu schaffen, hat die Stiftung zwei Ausbildungszentren für Solartechnik geschaffen und inzwischen 64 Solartechniker ausgebildet.

Ehrenpreise

Kategorie Besondere Anerkennung: Susi Snyder, Niederlande/International
Susi Snyder setzt sich seit über 15 Jahren für die Abrüstung von Atomwaffen in den USA, in Europa und auf der ganzen Welt ein. Als Mitglied der Lenkungsgruppe, die die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) steuert, koordiniert sie die Lobbyarbeit der europäischen ICAN-Partner, insbesondere die Kampagne „Don’t Bank on the Bomb”, übersetzt „Keine Geschäfte mit Banken, die Bomben finanzieren". In den detaillierten Studien werden die Finanzbeziehungen von weltweit mehreren hundert Finanzinstituten mit Unternehmen offen gelegt, die Atomsprengköpfe und Trägersysteme wie Raketen, Bomber und atomwaffenfähige U-Boote produzieren, entwickeln oder warten – darunter auch zehn deutsche Institute mit einem Finanzvolumen von 7,2 Mrd. Euro. Susi Snyder und ICAN streiten für eine atomwaffenfreie Welt. Sie motivieren Länder für ein übergreifendes Ziel: dem Verbot und der Ächtung nuklearer Waffen. Als eine Persönlichkeit, die viele andere dazu motiviert, sich für die Sache zu engagieren, bekommt Susi Snyder stellvertretend für die vielen anderen Mitglieder der ICAN-Kampagne den Ehrenpreis.


Kategorie Besondere Anerkennung: Alfred Manyanyata Sepepe, Südafrika
Alfred Manyanyata Sepepe setzt sich in Südafrika seit über einem Jahrzehnt dafür ein, dass jene Krankheiten als Berufskrankheit anerkannt werden, die Arbeiter in der Atomindustrie Südafrikas als Folge der Strahlenbelastung bekommen haben. Sepepe selbst hat elf Jahre in Pelindaba, Südafrikas Kernforschungszentrum westlich von Pretoria, als Maschinenführer gearbeitet und Hodenkrebs davon getragen. Eine Vielzahl von Arbeitern in Südafrikas Atomindustrie ist vergleichbar erkrankt. Die meisten bekamen nichts weiter als ihr letztes Monatsgehalt. Gemeinsam mit Earthlife Africa Johannesburg hat Alfred Sepepe betroffene Arbeiter aus dem Township Atteridgeville dazu motiviert, an einer Gesundheitsstudie über berufsbedingte Erkrankungen in Pelindaba teilzunehmen, um so für Gerechtigkeit zu sorgen. 208 Pelindaba-Arbeitern ließen sich von einem Arbeitsmediziner in Pretoria untersuchen. Der wiederum attestierte, dass 75 Prozent der untersuchten Arbeiter wahrscheinlich eine Berufskrankheit auf Grund der Strahlenbelastung davon getragen haben und legte elf Fälle einer Entschädigungskommission vor, die stellvertretend für die anderen weitere Tests durchführen sollte. Es gab weder weitere Untersuchungen, noch hat bislang auch nur einer der Arbeiter eine Entschädigung erhalten. Von den 208 untersuchten Arbeitern sind mittlerweile 59 verstorben.

Kontakt: Horst Hamm | horsthamm@t-online.dewww.nuclear-free.com


Gesellschaft | Politik, 31.07.2016

     
        
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