Aloha Spirit im Berufsalltag
Auf die Verbindung kommt es an.
Wie schafften es die Polynesier, mit einfachen Kanus tausende von Meilen über den Ozean zurückzulegen? Und das bereits über tausend Jahre bevor europäische Seefahrer die Inseln im Pazifik „entdeckten". Sie verstanden es, tatsächlich alle in einem Boot zu sein und nicht nur an einem Strang zu ziehen. Mit Aloha Spirit.
Vorbereitung ist das A und O. Dabei hatten die Polynesier allerdings nicht als Erstes die materielle und strukturelle Vorarbeit im Sinn. Entscheidend war und ist die mentale und energetische Vorbereitung. Schon die alten Polynesier wussten um die Bedeutung und Wirkkraft des Gemeinschaftsgeistes. Sie hatten wertvolle Tools, um ein Team so zu formen, dass es ärgste Widrigkeiten und Gefahren überwinden und unerreichbar scheinende Ziele verwirklichen konnte. Der Erfolg eines gemeinsamen Unterfangens hängt entscheidend davon ab, wie gut es gelingt, diese gemeinsame Ausrichtung zu bewerkstelligen und aufrechtzuerhalten.
„Na klar – ich bete und singe jetzt mit meinem Team …"
In vielen Gruppen und Vereinen wird gemeinsam gebetet, gesungen und an Zeremonien oder feststehenden Feiern teilgenommen. Das hilft, den Gemeinschaftsgeist zu wecken und lebendig zu halten und die Ausrichtung auf ein Ziel zu festigen. Im Berufsalltag zu beten und zu singen würde heute allerdings irritieren, wenn nicht gar Ablehnung hervorrufen. Trotzdem können wir auch dort feste Rituale praktizieren und gemeinsam durchführen. Dadurch werden alle Beteiligten aufeinander eingestimmt, es entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir unterschätzen manchmal, wie sich Energie und Durchschlagskraft Einzelner potenzieren, wenn sie in einer gemeinsamen Bewegung gebündelt werden. Und wir überschätzen, was ein Einzelner ausrichten kann, wenn es ihm nicht gelingt, die beteiligten Menschen emotional und energetisch zu erreichen und zu bewegen. Überlegen Sie deshalb, welche gemeinsamen Aktionen zu Beginn und im Verlauf eines Meetings den Gemeinschaftsgeist in Ihrem Team wecken und stärken könnten. Da geht es nicht um einmalige spektakuläre Aktivitäten wie Teamevents, sondern um kleine Impulse und Rituale, die ihre Wirkung durch die Wiederholung und Wiedererkennung entfalten.
Ich kenne eine Personalentwicklerin, die ihre Meetings auf allen Führungsebenen grundsätzlich mit einem Bewegungsspiel startet. Man könnte meinen, dass sich in unserer Arbeitskultur ernsthafte Gemüter peinlich berührt abwenden. Aber keineswegs – mittlerweile freuen sich die meisten schon auf das Signal zum Loslegen. Vom paarweisen Jonglieren bis hin zum Gruppen-Jenga, immer wird in diesen ersten gemeinsamen Minuten gespielt und gelacht. So verbinden sich die Teilnehmer/innen zwanglos miteinander und schaffen automatisch eine Atmosphäre von Leichtigkeit und Gemeinschaft. Dass alle sich von Anfang an daran beteiligt haben, liegt sicher zu einem großen Teil daran, dass die Personalentwicklerin die Aktivität mit Überzeugung vermittelt und selbst mitgemacht hat. Ob Sie für eine Gruppe, eine Daueraufgabe oder ein Projekt verantwortlich sind, machen Sie doch einfach mal die Probe aufs Exempel:
- Motivieren Sie die Teilnehmenden in den ersten zehn Minuten zu einer Aktivität, für die sie ihren gewohnten Sitzplatz verlassen und mit mehreren Leuten zwanglos in Kontakt kommen.
- Vermitteln Sie unermüdlich, um welches größere Ganze es geht, würdigen Sie die einzelnen Beiträge dazu und stellen Sie den Zusammenhang dazwischen dar.
- Sorgen Sie für eine gelöste Stimmung und eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit am Schluss, indem Sie einen zuversichtlichen Ausblick geben, die Teilnehmenden sich gegenseitig gute Wünsche, Komplimente oder Angebote zur Unterstützung auf kleine Kärtchen schreiben lassen und sich persönlich voneinander verabschieden.
Sie werden sich wundern, wie viel positive Energie auf diese Weise für die gemeinsame Sache freigesetzt wird. Voraussetzung dafür ist, dass Sie es ehrlich meinen und selbst die Bedeutung der gemeinsamen Ziele verkörpern und vertreten.
Inhalt und Organisation sind nur die halbe Vorbereitung – Machen Sie sich „pono"!
Aber nicht nur für Gruppen und Teams, auch für den Einzelnen spielt die Einstimmung auf eine Aufgabe eine große Rolle. Bei der Vorbereitung auf ein Seminar beispielsweise befasste ich mich früher in erster Linie mit den Inhalten und der Organisation. Inzwischen konzentriere ich mich besonders auf eine dritte, ganz wesentliche Komponente: mich vor allem vorab „pono" zu machen, das heißt, mich in Harmonie zu bringen und mit allen Beteiligten energetisch zu verbinden.
Wie das geht? Nehmen Sie drei tiefe Atemzüge, um sich zu sammeln. Menschen, die Sie bereits kennen, stellen Sie sich der Reihe nach vor und begegnen Ihnen im Geist mit einem herzlichen Willkommen oder mit guten Wünschen. Treffen Sie Menschen zum ersten Mal, fokussieren Sie sich auf die Namen oder einfach auf die Plätze, die diese später einnehmen werden. Ich gehe häufig die Teilnehmerliste entlang und verweile einige Augenblicke mit positiven Gedanken bei jedem Namen. Seit ich das berücksichtige, empfinde ich meine Arbeit als einfacher und Kraft spendend. Ich fühle mich in bester Verfassung, um die Inhalte je nach Situation und Gruppe flexibel anzupassen. Aber auch wenn ich selbst Mitglied einer Gruppe bin, gehört zu meiner Vorbereitung, dass ich mich mental und energetisch frei mache, mich bereit dafür mache, offen alles zu empfangen, was auf mich zukommt. Mit dieser Art von Vorbereitung laufen Gespräche anders, entwickeln Gruppen eine positivere Dynamik, bin ich selbst stabiler, klarer und gleichzeitig empathischer. Egal, ob Sie eine Leistung erbringen, etwas weitergeben oder lernen wollen – die mentale, emotionale, energetische und spirituelle Vorbereitung hat einen positiven Einfluss auf alles, was Sie tun. Wie oft stolpern wir aus dem Tagesgeschehen nahtlos in eine Besprechung oder Begegnung? Probieren Sie einmal aus, was sich ändert, wenn Sie sich – statt nur zu denken „Ich will dieses oder jenes Ergebnis!" – vorab ein paar Minuten Zeit nehmen für eine kurze Besinnung:
- Mit welcher Einstellung gehe ich zu dieser Besprechung, diesem Workshop, diesem Treffen?
- Kann ich für diese Zeit die Dinge und Gedanken ruhen lassen, die mich bis eben noch beschäftigt haben?
- Ist mein Geist offen für dieses Thema und die beteiligten Menschen?
- Lasse ich Raum für einen gemeinsamen Entwicklungsprozess?
- Bin ich bereit, offen zuzuhören und dankbar anzunehmen, was ich von anderen bekomme?
- Mit welchem größeren Ganzen verbinde ich mich?
- Lasse ich ohne Aufregung gehen, was negativ oder nicht für mich bestimmt ist?
- Bin ich bereit, Positives, das ich bekomme, auch wieder loszulassen und weiterzugeben?
Auntie Margaret, eine hawaiianische Älteste und „Lomilomi"*-Lehrerin (*Hawaiianische Massagetechnik) betet und singt jeden Morgen mit ihren Studenten, damit sie ihre Herzen von allem leeren, was sie beschäftigt. Danach sind sie bereit und in der Lage, sich anderen zuzuwenden und ihnen etwas Gutes zu tun.
Ohne Wenn und Aber – Fang an, mit dem, was da ist!
Unsere Art der Vorbereitung, vor allem und in erster Linie materiell und strukturell zu planen, entspricht nicht dem hawaiianischen Stil. Wir beschäftigen uns häufig als Erstes mit Budgets und zeitlichen Ressourcen, mit standardisierten Abläufen und möglichen Abweichungen. Das gibt einerseits Struktur, bedeutet aber auch Hemmnis und Begrenzung. Die inhaltliche und organisatorische Planungsphase ist für manche Vorhaben sehr ausführlich und umständlich. Gelegentlich zieht sie sich so lange hin, dass der Elan der Anfangsenergie zwischenzeitlich verpufft. Manche Vorhaben schaffen es somit gar nicht mehr in die Umsetzung. Es wird viel gedacht, erwogen, verworfen, und am Ende kommt wenig bis nichts mehr dabei heraus. Weil wir versuchen, jede Kleinigkeit im Voraus zu bedenken und abzusichern, weil Einzelheiten noch unklar oder kontrovers sind, verwerfen wir wertvolle Ansätze häufig wieder. Hawaiianer halten es lieber mit dem Motto „Handeln spricht lauter als Worte".
Bevor Sie lange theoretische Entwürfe erörtern, sich auf Diskussionen über alle möglichen Wenns und Abers einlassen, die nirgendwo hinführen, beginnen Sie mit dem, was Ihnen im Augenblick wichtig oder wertvoll erscheint. Sie starten einfach, ohne zu warten, bis alles aufs iTüpfelchen durchdacht und durchkalkuliert ist. Sie fangen klein und manchmal mit viel Improvisationstalent an, ohne gleich ein perfektes Endergebnis anzustreben.
Fühlen Sie sich inspiriert, etwas in Ihrem Leben zu verändern, ein neues Vorhaben zu starten oder eine Initiative ins Leben zu rufen? Sind Sie entschlossen, in Ihrem Unternehmen eine positivere Kultur einzuführen, eine innovative Idee zu verwirklichen oder ein beispielhaftes Projekt zu etablieren? Damit der Anreiz Ihrer guten Ideen und die Schubkraft des Neubeginns Früchte tragen, können Sie es den Hawaiianern nachmachen: Fangen Sie da an, wo Sie sind, mit dem, was Sie zur Verfügung haben und mit denen, die Sie schon kennen. Beginnen Sie ohne große Worte und Erklärungen, indem Sie selbst verkörpern, was Sie erschaffen, vermitteln und bewirken wollen. Richten Sie Ihre Energie und Ihren Atem bewusst auf das Vorhaben aus, um Ihre positive Haltung und überzeugende Ausstrahlung zu erhöhen – und legen Sie los. Wenn der Anfang gemacht ist, bauen Sie Ihr Projekt je nach Bedarf und Mitteln nach und nach aus.
Herzblut und Offenheit – das A und O für Erfolg!
Am Ende nehmen solche beherzten Anfänge oft eine beeindruckende Entwicklung. Denn es ist Spielraum da für organische Entwicklung, weil noch nicht alles durch Planung von vornherein festgelegt ist. Ich spreche hier nicht von chaotischem Aktionismus. Ich spreche von Menschen, die das tun, was zu einem bestimmten Zeitpunkt eben möglich ist. Menschen, die im guten Sinn und mit redlicher Absicht handeln. Menschen, die sich auf ein Ergebnis ausrichten, ohne sich von allen wägbaren und unwägbaren Einzelheiten abhängig zu machen.
Welche Angebote, Dienstleistungen, Initiativen in Ihrem Umfeld sprechen Sie an oder beeindrucken Sie? Forschen Sie einmal nach, wie die Anfänge waren. Es wird nicht immer von vornherein der ganz große Wurf gewesen sein, die blendende, durchgestylte Geschäftsidee. Scheitern ist erlaubt und erwünscht. Die erfolgreichsten Menschen sind es deshalb, weil sie etwas riskiert und auch Fehler gemacht haben. Und erfolgreich ist, was uns und unser Umfeld gleichzeitig glücklich und zufrieden macht. In der Regel sind das die Dinge, bei denen wir mit Herzblut dabei sind. Einer Abteilungsleiterin beispielsweise lag es besonders am Herzen, den von Wettbewerb getriebenen, destruktiven und oft sogar gehässigen Umgangsstil in Ihrem Betrieb zu verändern. Sie begann zunächst jede Besprechung mit einer Eingangsrunde auf die Frage: „Wofür haben Sie sich in dieser Woche eingesetzt? Was ist Ihnen gut gelungen?" Zwar wurde diese ungewohnte Eröffnung zunächst von einigen Anwesenden spöttisch kommentiert, doch immer mehr lernten nach und nach, die aufbauende und verbindende Wirkung dieses Rituals zu schätzen und beteiligten sich aufrichtig daran. Als ihr die Zeit reif dafür schien, ging sie einen Schritt weiter: „Was können Einzelne von uns oder wir alle tun, um Sie zu unterstützen?" Heute ist es in Ihrer Abteilung eine Selbstverständlichkeit, dass jeder, der sich für gemeinsame Ziele einsetzt, Unterstützung und Wertschätzung erfährt und das Gleiche bereitwillig weitergibt. Die veränderte Atmosphäre scheint manchen wie ein Wunder, doch sie hat einfach mit Herzblut und Glaubwürdigkeit ihr Anliegen vertreten und die Beteiligten ihre Vorteile erfahren lassen.
Konzentrieren Sie also Ihre Energie auf den Kern des Ersehnten oder Möglichen und legen Sie dann bescheiden und mit den verfügbaren Mitteln los. Ob ehrenamtlich oder geschäftlich, viele Vorhaben von kleinen Initiativen bis zu Großbetrieben oder Projekten sind in die Welt gekommen, weil Menschen ihrer Intuition und Neigung gefolgt sind, am Küchentisch gesponnen und mit Herzblut einfach angefangen haben! Gewachsen sind sie dann, weil sie anderen dienlich waren oder sie inspiriert und motiviert haben.
Wenn Sie tun, wozu Sie sich berufen fühlen, werden auch andere durch Ihr Tun angesprochen oder angeregt. Das Schöne ist, dass Sie in jedem Fall Ihre Zeit und Energie mit etwas verbracht haben, das Ihnen eine Herzensangelegenheit ist. Bereiten Sie sich vor – und legen Sie los! Alle guten Wünsche begleiten Sie.
Von Monika Gruhl
Monika Gruhl ist Resilienz-Trainerin und Coach, lernte durch zahlreiche Reisen und Seminare die Lebensphilosophie der Hawaiianer kennen. Sie sieht in ihr eine spirituelle Dimension, eine tiefer gehende Gründung der resilienten Haltung. Die Autorin selbst hat die besondere Lebensenergie in sich aufgenommen und fühlt sich davon genährt, berührt und angetrieben. www.monikagruhl.de
Mehr Informationen zu "Aloha Spirit im Berufsalltag" finden Sie unter "ALOHA in der Führung".
Wirtschaft | Führung & Personal, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.
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